Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankentagegeldversicherung: Berufswechsel
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Gastronom mit einem geringen Teil seiner Arbeitskraft zusätzlich als "Spielautomatenaufsteller" tätig, so stellt dies nach den üblichen Bedingungen der Krankentagegeldversicherung wohl keinen Berufswechsel dar. Jedenfalls bleibt Versicherungsschutz bestehen, auch wenn der Beruf des "Automatenaufstellers" bei dem Versicherer nicht versicherbar ist. Das Unterlassen einer Anzeige der Zusatztätigkeit ist keine grob fahrlässige Obliegenheitsverletzung.
Verfahrensgang
LG Münster (Aktenzeichen 115 O 174/15) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 27. Februar 2018 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)
I. Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet.
Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung von Krankentagegeld in Höhe von täglich 75,- EUR für den Zeitraum vom 21.10.2014 bis einschließlich zum 19.01.2015, insgesamt also 6.825,- EUR nebst Zinsen, verurteilt.
1. Dem Kläger steht der Anspruch auf Zahlung weiteren Krankentagegeldes für den genannten Zeitraum aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag zu.
a) Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass ursprünglich ein Versicherungsvertrag wirksam zustande gekommen ist.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Versicherungsverhältnis nicht gemäß § 15 Abs. 1 lit. a) der dem Vertrag zugrunde liegenden MB/KT 2009 beendet worden. Danach endet das Versicherungsverhältnis zum Ende des Monats, in dem eine Voraussetzung für die Versicherungsfähigkeit wegfällt. Dies kann unter anderem dann der Fall sein, wenn der Versicherungsnehmer zu einer Tätigkeit wechselt, die nach dem bisherigen Tarif nicht versicherbar ist (Prölss/Martin-Voit, VVG, 30. Aufl. 2018, § 15 MB/KT Rn. 10).
Vorliegend hat die Beklagte zwar unwidersprochen vorgetragen, dass eine Tätigkeit als Automatenaufsteller bei ihr nicht versicherbar ist. Dennoch wechselte der Kläger nicht im vorstehenden Sinne zu einer nicht versicherbaren Tätigkeit. Denn seine Tätigkeit als Automatenaufsteller trat vielmehr, wie die Beweisaufnahme durch Anhörung des Klägers und durch Vernehmung des Zeugen M zur Überzeugung des Senats ergeben hat, lediglich neben die nach dem Versicherungsvertrag versicherte Tätigkeit des Klägers als Gastronom. Dieser Fall ist jedenfalls dann nicht von § 15 Abs. 1 lit. a) MB/KT 2009 erfasst, wenn die neu hinzutretende Tätigkeit nicht einmal den Schwerpunkt bildet, sondern - wie hier - allenfalls gleichberechtigt neben der bereits bestehenden Tätigkeit ausgeübt wird. Dass seine Tätigkeit als Gastronom weiterhin die Hälfte seiner beruflichen Tätigkeit ausmachte, hat der Kläger bei seiner Anhörung für den Senat glaubhaft erläutert.
b) Der Versicherungsfall ist eingetreten.
Diesen regeln die dem Vertrag zugrunde liegenden MB/KT 2009 in § 1 Abs. 2 und 3 wie folgt:
"(2) Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen, in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund keine Arbeitsunfähigkeit und keine Behandlungsbedürftigkeit mehr bestehen. [...]
(3) Arbeitsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen liegt vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht."
Der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis erbracht, dass diese Voraussetzungen über den 20.10.2014 hinaus erfüllt waren.
aa) Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Versicherungsfall im September 2009 im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 2 MB/KT 2009 begann, weil wegen einer Burn-Out- und Depressionserkrankung eine medizinisch notwendige Heilbehandlung des Klägers erfolgte und in deren Verlauf Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wurde.
bb) Die Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit des Klägers bestand im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 3 MB/KT 2009 über den 20.10.2014 hinaus jedenfalls bis einschließlich zum 19.01.2015 fort.
Der Kläger hat bewiesen, dass er auch in diesem Zeitraum bedingungsgemäß arbeitsunfähig war, nämlich seine berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben konnte und auch nicht ausübte (§ 1 Abs. 3 MB/KT 2009).
Dabei kann der Senat offen lassen, ob Anknüpfungspunkt für diese Beurteilung ausschließlich der im Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages ausgeübte Beruf des Klägers als Gastronom oder das zuletzt ausgeübte Nebeneinander der Tätigkeiten als Gastronom und Automatenaufsteller ist.
(1) Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger zunächst selbstständig als Gastronom tätig war und in dieser Zeit sämtliche damit verbundenen Verrichtungen...