Leitsatz (amtlich)
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (NJW 2004, 1947 zur Wohnraummiete und NJW 2005, 2152 zur Geschäftsraummiete), wonach bei einer erheblichen Abweichung der tatsächlichen Mietfläche von der vertraglich vereinbarten Mietfläche zu Lasten des Mieters, für welche bei einer Flächenabweichung von 10 % eine tatsächliche Vermutung spreche, ein Mietmangel i.S.v. § 536 BGB besteht, findet nur dann Anwendung, wenn die Angabe der Mietfläche im Vertrag der Festlegung der Sollbeschaffenheit des Mietobjekts dient und nicht lediglich dessen Beschreibung.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Aktenzeichen 4 O 690/19) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 15.06.2020 (4 O 690/19) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.220,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 886,95 EUR seit dem 04.01.2019, aus 886,95 EUR seit dem 05.02.2019, aus 886,95 EUR seit dem 05.03.2019, aus 886,95 EUR seit dem 04.04.2019, aus 886,95 EUR seit dem 04.05.2019, aus 886,95 EUR seit dem 04.06.2019, aus 886,95 EUR seit dem 04.07.2019, aus 886,95 EUR vom 04.08.2019 bis zum 20.08.2019 und aus 366,49 EUR seit dem 21.08.2019, aus 886,95 EUR vom 04.09.2019 bis zum 23.09.2019 und aus 366,49 EUR seit dem 24.09.2019, aus 886,95 EUR vom 05.10.2019 bis zum 21.10.2019 und aus 366,49 EUR seit dem 22.10.2019, aus 886,95 EUR vom 05.11.2019 bis zum 20.11.2019 und aus 366,49 EUR seit dem 21.11.2019, aus 886,95 EUR vom 04.12.2019 bis zum 22.12.2019 und aus 153,15 EUR seit dem 23.12.2019, aus 1.241,15 EUR vom 06.01.2020 bis zum 21.01.2020 und aus 153,15 EUR seit dem 22.01.2020, sowie aus 1.241,15 EUR seit dem 04.02.2020 zu zahlen, abzüglich am 01.02.2020 gezahlter 1.088,80 EUR.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auch weiteren Schaden, mindestens infolge des Nutzungsausfalls, der infolge der Nichträumung des Mietobjektes im ersten Obergeschoss, Erdgeschoss und Untergeschoss des Hauses A ...-Straße 00 in A ... entstanden ist, zu ersetzen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 281,30 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.06.2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 1/8 und die Beklagte 7/8.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt die Beklagte.
4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt die Zahlung rückständiger Miete und Nutzungsentschädigung sowie Räumung von Geschäftsräumen im Unter-, Erd- und Obergeschoss des Objekts A ...-Straße 00 in A ...
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes A ...-Straße 00 in A ..., welches mit einem Gebäude bebaut ist, das um das Jahr 1900 errichtet und im Jahre 2008 kernsaniert wurde. Darin befindet sich ein Ladengeschäft im Unter-, Erd- und Obergeschoss, für dessen Vermietung der Kläger die Wohnungsbörse E ... als Makler beauftragt hatte. Mit dieser führte die Beklagte als Mietinteressentin Anfang September 2017 eine Ortsbesichtigung durch. Zwischen den Parteien ist strittig, ob der Beklagten dabei das Exposé der Wohnungsbörse E ... (Anlage K 1) übergeben wurde.
Am 15./25.10.2017 unterschrieben die Parteien einen Mietvertrag (Anlage K 2) über das Ladengeschäft im Unter-, Erd- und Obergeschoss mit dem Mietbeginn am 01.11.2017 sowie einer monatlichen Kaltmiete einschließlich Stellplatz (60,00 EUR) im Innenhof von 870,00 EUR netto und einer Betriebskostenvorauszahlung von monatlich 320,00 EUR netto. Eine Angabe der Größe des angemieteten Ladengeschäftes in Quadratmetern enthielt dieser Mietvertrag nicht. Aufgrund von noch zu erledigenden Restarbeiten im Objekt verständigten sich die Parteien danach auf eine Absenkung der Kaltmiete von 810,00 auf 560,00 EUR für das Ladengeschäft in den Monaten November und Dezember 2017 und unterzeichneten daraufhin einen lediglich in diesem Punkt veränderten, neuen und ebenfalls auf den 15./25.10.2017 datierten Mietvertrag (Anlage K 3).
Auf Wunsch der Krankenkassen, mit denen sie zusammenarbeitete, und des Finanzamtes begehrte die Beklagte im danach vom Kläger zum einen die Aufnahme der Mietfläche in den Vertrag und zum anderen die Aufspaltung des einheitlichen Vertrages in einen Vertrag mit Umsatzsteuerausweis für die Räume im Unter- und Erdgeschoss sowie einen Vertrag ohne Umsatzsteuerausweis für die Räume im Obergeschoss des Objektes. Der Kläger kam diesem Wunsch nach. Die Parteien ersetzten den einheitlichen Mietvertrag vom...