Leitsatz (amtlich)

Hat sich eine fehlerhafte Aufklärung nicht ausgewirkt, weil der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte, ist zwar sein allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt, ein Anspruch auf Geldentschädigung gem. § 823 BGB i.V.m. Art. 1 und 2 GG ist aber gleichwohl regelmäßig ausgeschlossen (entgegen OLG Jena v. 3.12.1997 – 4 U 687/97, OLGReport Jena 1998, 33 = VersR 1998, 586).

 

Verfahrensgang

LG Zwickau (Urteil vom 09.05.2003; Aktenzeichen 1 O 1037/00)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Zwickau vom 9.5.2003 – 1 O 1037/00 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 8.135,50 Euro (6.135,50 Euro + 2.000 Euro).

 

Gründe

I. Der am 8.7.1980 geborene Kläger verlangt von den Beklagten – Krankenhausträger und behandelnden Ärzten – Ersatz materiellen und immateriellen Schadens wegen der konservativen Therapie einer distalen Unterschenkelfraktur rechts in der Zeit vom 8.6. bis 14.6.1996 im Kreiskrankenhaus R. Im zweiten Rechtszug wirft er den behandelnden Ärzten nur noch vor, sie hätten ihn und seine Eltern nicht hinreichend aufgeklärt. Das LG hat die Klage abgewiesen: Weder habe der Kläger einen Behandlungsfehler bewiesen, noch hafteten die Beklagten wegen eines Aufklärungsfehlers. Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien, ihrer Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (Bl. 138–151). Hiergegen richtet sich die frist- und formgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers, mit der er dem LG einen Verfahrensfehler und Rechtsfehler vorwirft (vgl. die Berufungsbegründungsschrift vom 14.8.2003, Bl. 169–177).

Er beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Schmerzensgeldbetrag, mindestens jedoch 6.135,50 Euro, zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger allen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus der Verkürzung seines rechten Beins um zwei Zentimeter noch entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder anderen Dritten übergegangen ist.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

II. Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

Zu Recht hat das LG entschieden, dass dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Ersatz seines materiellen (Schlechterfüllung des Krankenhausvertrages und § 823 BGB) und immateriellen (§§ 823, 847 BGB) Schadens wegen seiner körperlichen Beeinträchtigungen zusteht. Ebenso richtig hat das LG geurteilt, dass der Kläger auch keinen Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer Persönlichkeitsverletzung hat (§ 823 BGB i.V.m. Art. 1 und 2 GG).

1. Wegen seiner Beinverkürzung stehen dem Kläger Schadensersatzansprüche aufgrund von Aufklärungsfehlern nicht zu.

a) Ein Aufklärungsfehler liegt nicht vor.

aa) Über die Möglichkeit einer operativen Behandlung des Bruchs musste nicht aufgeklärt werden. Die operative Behandlung war nämlich keine echte Behandlungsalternative zur konservativen Behandlung.

Die Wahl der Behandlungsmethode ist primär Sache des Arztes. Er muss dem Patienten daher im Allgemeinen nicht ungefragt erläutern, welche Behandlungsalternativen theoretisch in Betracht kommen und welche Gründe für und gegen die eine oder andere Methode sprechen, solange er eine Therapie wählt, die dem medizinischen Standard entspricht. Die Aufklärung über Alternativen ist nur dann erforderlich, wenn gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden mit wesentlich unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten begründen (Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl., Kap. C Rz. 21 f.)

Demgegenüber hat der Sachverständige erstinstanzlich überzeugend ausgeführt: Die konservative Behandlung sei die übliche Behandlungsmethode gewesen. Die operative Versorgung von Unterschenkelschaftfrakturen bei Kindern und Jugendlichen sei nur im Falle instabiler oder offener Fraktur indiziert, die beim Kläger nicht vorgelegen habe. Mit der Operation des Bruchs wären die Ärzte vom medizinischen Standard abgewichen. Die Beinlängendifferenz hätte nicht sicher vermieden werden können, vielmehr hätte die Gefahr bestanden, dass eine Beinverlängerung auftritt. Es wäre zudem das weitere – gravierende – Risiko einer Knocheninfektion hinzugekommen. Er – der Sachverständige selber – hätte einem Patienten gerade wegen des im Vergleich zur konservativen Behandlung erhöhten Risikos von einer Operation abgeraten, die, wenn nicht fehlerhaft, so jedenfalls nicht die Behandlung der Wahl gewesen wäre.

Diesen Ausführungen ist der Kläger mit dem Vortrag entgegengetreten, durch den ...

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