Entscheidungsstichwort (Thema)

Zwangsverwaltung eines vermieteten Grundstücks: Pflichten des Verwalters nach Beendigung des Verfahrens gegenüber dem neuen Eigentümer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat der freihändige Erwerber seine Eigentümerstellung durch Eintragung im Grundbuch erst zu einem Zeitpunkt erlangt, als das Zwangsverwaltungsverfahren bereits aufgehoben war, so ist er nicht als Beteiligter anzusehen, dessen Vermögensinteressen der Zwangsverwalter zu vertreten hat.

2. Ein schon im Zwangsverwaltungsverfahren bestehendes Anwartschaftsrecht auf das Grundstück (Vormerkung) begründet kein im Zwangsverwaltungsverfahren zu beachtendes dingliches Recht.

3. Dem Erwerber steht gegenüber dem Zwangsverwalter kein Anspruch auf Rechnungslegung und auf Herausgabe aller, für eine ordnungsgemäße Grundstücksverwaltung erforderlichen (Original-)Unterlagen zu.

4. Nach Aufhebung der Zwangsverwaltung und Beendigung seines Amts gehört es nicht mehr zu den Pflichten des Verwalters, Betriebskostenabrechnungen zu erstellen. Dies obliegt für bereits abgeschlossene Abrechnungszeiträume - vorbehaltlich abweichender Absprachen zwischen Verkäufer und Erwerber - (wieder) dem veräußernden Vermieter.

5. Ein Verwalter ist nach Aufhebung der Zwangsverwaltung grundsätzlich verpflichtet, die gezogenen Nutzungen an den Schuldner/Eigentümer herauszugeben. Zur Auskehrung an den neuen Eigentümer ist er nur verpflichtet, wenn dieser das Eigentum während des Zwangsverwaltungsverfahrens erworben und sich gem. § 9 ZVG gemeldet hat. Eventuelle im Übertragungsvertrag getroffene Regelungen zu einem zeitlich abweichenden Übergang der Nutzungen treffen den Verwalter nicht.

 

Normenkette

BGB § 812 Abs. 1, § 823 Abs. 2; ZVG §§ 9, 152, 154-155; ZwVwV § 12; ZPO §§ 256, 266

 

Verfahrensgang

LG Chemnitz (Urteil vom 30.06.2011; Aktenzeichen 5 O 1864/10)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des LG Chemnitz vom 30.6.2011 - 5 O 1864/10 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen dahingehend abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

2. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss:

Der Gebührenstreitwert wird - zugleich in Abänderung der erstinstanzlichen Festsetzung - auf 8.185,19 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten hat Erfolg. Die ebenfalls zulässige Anschlussberufung des Klägers bleibt erfolglos.

I. Die Berufung des Beklagten ist begründet. Das LG hätte die Klage vollumfänglich abweisen müssen.

1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Herausgabe der im Klageantrag Ziff. 1) näher spezifizierten Mietverwaltungsakten. Ob ein solcher Anspruch den vormaligen Eigentümern zustand oder noch zusteht, kann dahinstehen. Der Kläger wäre jedenfalls nicht befugt, diesen als Rechtsnachfolger oder Prozessstandschafter zu verfolgen.

a) Für einen eigenen Anspruch des Klägers findet sich keine Anspruchsgrundlage:

aa) § 154 Satz 1 ZVG scheidet schon deshalb aus, weil es sich um eine die Eigenhaftung des Zwangsverwalters begründende Norm für von ihm begangene Pflichtverletzungen handelt. Ein Anspruch auf Herausgabe der genannten Unterlagen lässt sich daraus nicht ableiten.

bb) § 154 Satz 2 ZVG kann ebenfalls nicht herangezogen werden. Danach hat der Zwangsverwalter dem Gläubiger und dem Schuldner jährlich und nach der Beendigung der Verwaltung - unter Vermittlung durch das Vollstreckungsgericht(§ 154 Satz 3 ZVG)- Rechnung zu legen, zu welcher gem. § 259 Abs. 1 BGB die Vorlage von Belegen gehört, soweit solche erteilt zu werden pflegen. Dem Gesetzeswortlaut folgend ist es allgemeine Auffassung, dass anderen Beteiligten als Gläubiger und Schuldner kein Recht auf Rechnungslegung zusteht (vgl. nur Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 154 Rz. 4.1; OLG Hamburg NJW-RR 1986, 1186 f.). Gleichwohl nimmt eine Mindermeinung an, dass auch anderen Beteiligten, deren Vermögensinteressen der Verwalter vertritt, ein Rechnungslegungsanspruch zukommt (Engels in: Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 154 Rz. 35).

Unabhängig davon, welcher Auffassung man folgt, ergäbe sich kein Anspruch auf Herausgabe der vom Kläger gewünschten (Original-)Unterlagen. Bereits die Gläubiger und der Schuldner sind verpflichtet, die Rechnungsunterlagen an den Zwangsverwalter zurückzugeben, wenn und soweit sie keine Einwendungen gegen die Rechnungslegung erheben (Stöber, § 154 Rz. 4.8). Für andere Beteiligte könnte nichts anderes gelten. Auch ihnen wäre allenfalls Einsicht in die mit den Rechnungen vorgelegten Belege zu gewähren (Engels, a.a.O., Rz. 35; Böttcher, ZVG, 5. Aufl., § 154 Rz. 9).

Allerdings ist der Kläger nicht einmal als Beteiligter anzusehen, dessen Vermögensinteressen der Beklagte in seinem Amt als Zwangsverwalter zu vertreten hatte. Nach neuerer Rechtsprechung des BGH ist als Beteiligter i.S.v. § 154 Satz 1 ZVG derjenige anzusehen, dem gegenüber dem Verwalter aus dem Zwangsverwaltungsgesetz herrührende...

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