Leitsatz (amtlich)
1. Eine durch eine mittelbare Zuwendung des Schuldners bewirkte gläubigerbenachteiligende Vermögensverminderung kann auch darin liegen, dass dieser selbst einen An- spruch auf das dem Dritten Zugewandte gegen seinen Leistungsmittler hatte und er diesen Anspruch mit der Leistung an den Dritten verliert.
2. Der Empfänger einer mittelbaren Zuwendung kann, wenn sowohl über das Vermögen seines Schuldners wie auch über das Vermögen des Leistungsmittlers ein Insolvenzverfahren eröffnet ist, gegenüber beiden Insolvenzmassen Anfechtungsansprüchen ausgesetzt sein; im Ergebnis muss er die Leistung jedoch nur einmal zurückgewähren.
3. Die mit der Anfechtung im Zuwendungsverhältnis verbundene Folge konkurrierender Anfechtungsansprüche ist auf Rechtsfolgeebene zu lösen.
4. Gegen die Anfechtung im Zuwendungsverhältnis nach § 134 Abs. 1 InsO kann der Empfänger der unentgeltlichen Leistung eine Zahlung im Valutaverhältnis gem. § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO, 818 Abs. 3 BGB einwenden. Ob daneben die Zahlung im Valutaverhältnis als Aufwendung für die mit dem Anfechtungsrecht belastete Leistung nach §§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO, 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 288 Abs. 1, 292 Abs. 1, 994, 995 BGB gelten kann, lässt der Senat offen.
Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 07.09.2007; Aktenzeichen 10 O 368/06) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Dresden vom 7.9.2007 - 10 O 368/06, abgeändert und - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - wie folgt neu gefasst:
a) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.597 EUR nebst Zinsen aus diesem Betrag i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 1.4.2004 zu zahlen.
b) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 3/8 und der Kläger zu 5/8, der in diesem Umfang auch die Kosten des Nebenintervenienten zu tragen hat.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus diesem Urteil zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird nach Maßgabe der Gründe zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Bau ... mbH (nachfolgend: Schuldnerin), das auf deren Antrag vom 27.1.2004 am 1.4.2004 eröffnet wurde. Diese gründete im März 1991 die ... M. GmbH (nachfolgend: Tochtergesellschaft), über deren Vermögen auf Antrag vom 7.1.2004 am 22.3.2004 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Nebenintervenient zum Verwalter bestellt wurde. Der Kläger verlangt von der Beklagten Zahlungen auf rückständige Beiträge zur Gesamtsozialversicherung im Wege der Insolvenzanfechtung zurück, die von der Schuldnerin auf entsprechende Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft geleistet wurden.
Auf die Feststellungen des angegriffenen Urteils wird mit folgender Ergänzung Bezug genommen:
Der Nebenintervenient focht ggü. der Beklagten ebenfalls Zahlungen auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge i.H.v. 15.874,64 EUR an (vgl. Anlage B 1, Bl. 26 f. dA), wobei Gegenstand dieser Anfechtung - mit Ausnahme der Zahlung vom 30.9.2003 i.H.v. 4.130,24 EUR - unter weiteren auch die nunmehr vom Kläger zurückgeforderten Zahlungen waren. Die Beklagte zahlte an den Nebenintervenienten zur Abgeltung dieser Anfechtungsansprüche im Vergleichswege insgesamt 10.700 EUR mit der Abrede, diesen Betrag an den Kläger weiterzuleiten, wenn im Verhältnis zwischen den Insolvenzverwaltern in einem anderen Verfahren rechtskräftig festgestellt werde, wem das Anfechtungsrecht ggü. den Zahlungsempfängern zustehe.
Das LG hat der Klage gestützt auf §§ 143, 134 InsO vollständig stattgegeben.
Die Beklagte macht mit ihrer Berufung geltend, bei den angefochtenen Zahlungen handele es sich um mittelbare Zuwendungen der Tochtergesellschaft, so dass ein Anfechtungsrecht nur des Nebenintervenienten gegeben sei. Die Mittel seien der Schuldnerin von der Tochtergesellschaft zur Verfügung gestellt worden. Es habe eine Verrechnungsabrede und ein Cash-Management zwischen beiden Gesellschaften gegeben, bei dem Verbindlichkeiten der Schuldnerin ggü. der Tochtergesellschaft durch die Erfüllung von Verbindlichkeiten ggü. dem Fiskus und der Einzugsstelle für Gesamtsozialversicherungsbeiträge ausgeglichen worden seien. Zu Unrecht habe das LG zudem die Unentgeltlichkeit der Leistungen bejaht. Die Forderung der Beklagten ggü. der Tochtergesellschaft seien nicht wertlos gewesen, weil diese nicht zahlungsunfähig gewesen sei. Im Übrigen sei die Schuldnerin selbst auch ggü. der Beklagten zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge verpflichtet gewesen, weil diese die Arbeitnehmer der Tochtergesellschaft entliehen habe.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Dresden vom 7.9.2007 - 10 O 368/06, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Be...