Leitsatz (amtlich)
1. Zur Ausschlussfrist des § 44 BörsG a.F. im Rahmen der Haftung nach § 13 VerkProspG a.F., wenn durch die Veröffentlichung von Nachträgen die Zeichnungsfrist verlängert wird.
2. Nach § 18 Abs. 2 Satz 3 und 4VerkProspG sind die bis zum 30.6.2005 geltenden Vorschriften nur auf solche Prospekte anzuwenden, die zuvor gem. § 8a VerkProspG a.F. das Gestattungsverfahren bei der Xyx durchlaufen haben und nach § 9 VerkProspG a.F. veröffentlicht worden sind. Die (Weiter-)Verwendung eines anderen Prospektes ab dem 1.7.2005 begründet die - verschuldensunabhängige - Haftung nach § 13a VerkProspG.
3. Zum Begriff der "unterjährigen Geldmarktinstrumente" in § 2 Nr. 1 WpPG.
4. Zum Begriff des "öffentlichen Angebots" in § 2 Nr. 4 WpPG.
5. Zur Verwirklichung einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) bei der Veräußerung von Inhaberteilschuldverschreibungen an (Klein-)Anleger.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Urteil vom 07.06.2012; Aktenzeichen 04 O 574/09) |
Tenor
I. Die Teilversäumnisurteile vom 30.5.2013 und vom 26.9.2013 werden aufrechterhalten.
II. Das Urteil des LG Leipzig vom 7.6.2012 - 4 O 574/09, wird im Kostenpunkt teilweise geändert:
Ziff. 4 des Urteils des LG Leipzig vom 7.6.2012 - 4 O 574/09, bleibt unberührt. Im Übrigen wird die Kostenentscheidung für beide Instanzen insgesamt wie folgt neu gefasst: Die Beklagten tragen die übrigen Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.
III. Das Urteil ist - ebenso wie die Ziff. 1 und 3 des landgerichtlichen Urteils vom 7.6.2012 - 4 O 574/09 - vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird unter teilweiser Abänderung der Streitwertfestsetzung im angefochtenen Urteil wie folgt festgesetzt:
Der erstinstanzliche Streitwert hat bis zur Verfahrenstrennung 367.500 EUR betragen; hiervon entfallen auf das Prozessrechtsverhältnis der Klägerin zu 1) zu den Beklagten 20.000 EUR und auf das Prozessrechtsverhältnis des Klägers zu 2) zu den Beklagten 2.000 EUR. Ab der Trennung des Verfahrens hat der Streitwert 22.000 EUR betragen, wobei auf das Prozessrechtsverhältnis der Klägerin zu 1) zu den Beklagten 20.000 EUR und auf dasjenige des Klägers zu 2) zu den Beklagten 2.000 EUR entfallen. In zweiter Instanz beträgt der Streitwert gleichfalls 22.000 EUR. Hiervon entfallen auf die Berufung der Klägerin zu 1) 20.000 EUR, auf die Berufung des Beklagten zu 1) 22.000 EUR und auf die Berufung des Beklagten zu 2) 2.000 EUR.
Gründe
A. Die Kläger verlangen von den Beklagten Schadensersatz für den Erwerb von Inhaberschuldverschreibungen der insolventen Wohnungsbaugesellschaft xxx (im Folgenden: WBG).
Die WBG hat auf dem sog. "Grauen Kapitalmarkt" Inhaberteilschuldverschreibungen an Kleinkapitalanleger veräußert. Bei den Inhaberteilschuldverschreibungen handelte es sich um käuflich zu erwerbende Inhaberpapiere der WBG, die mit einem Zinssatz zwischen 5,25 % und 7 % p. a. verzinst worden sind. In den Jahren 1999 bis zur Insolvenz im Jahr 2006 legte die WBG insgesamt 25 Tranchen von Inhaberteilschuldverschreibungen ohne Börsenzulassung (im Folgenden in chronologischer Reihenfolge der Ausgabe: IHS 1 bis IHS 25) mit einem rechnerischen Gesamtvolumen von ca. 556 Mio EUR auf. Von den Prospekten zu diesen Inhaberteilschuldverschreibungen durchliefen die Prospekte zu den IHS 2, 3, 4, 7, 10, 12, 16 und 19 gemäß dem Internetauftritt der Xyx das nach dem Verkaufsprospektgesetz in der bis zum 30.6.2005 geltenden Fassung vorgesehene Veröffentlichungsverfahren, bei dem die Prospekte zunächst der Xyx vorgelegt wurden und anschließend in einem Börsenpflichtblatt eine Veröffentlichung erfolgte. Die IHS 3, 5, 6, 8, 9, 11, 13 bis 15 und 17, 18, 20 und 21, deren Prospekte noch sämtlich vor dem 30.6.2005 vom Beklagten zu 2) - dem seit 1.12.1999 alleinvertretungsberechtigten Vorstand der WBG - unterzeichnet worden sind, hatten eine Laufzeit von unter einem Jahr. Die nach dem 1.7.2005 in Verkehr gebrachten IHS 22 bis 25 wurden unstreitig von der Xyx weder nach dem Wertpapierprospektgesetz (WPpG) noch nach dem Verkaufsprospektgesetz (VerkProspG) in der ab dem 1.7.2005 geltenden Fassung genehmigt. Zu mehreren der Inhaberschuldverschreibungen bis zur IHS 19 erstellte die WBG einen oder mehrere Nachträge, die häufig eine Verlängerung der Zeichnungsfrist und mehrfach auch eine Erhöhung des Emissionsvolumens beinhalteten. Die WBG warb Anleger vornehmlich zum einen durch Zeitungen beifügte Flyer, mit denen Prospekte angefordert werden konnten, und zum anderen, indem sie frühere Erwerber von IHS anschrieb. Den Prospekten waren Zeichnungs- und zum Teil auch Umtauschformulare beigefügt. Viele Anleger willigten bei Auslaufen der Inhaberschuldverschreibungen auf Vorschlag der WBG darin ein, statt einer Rückzahlung einen "Umtausch" in eine "neue" ...