Leitsatz (amtlich)
Öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen oder -hindernisse können Mängel des Mietobjektes i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB sein, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit oder Lage des Mietobjektes beruhen und nicht in den persönlichen und betrieblichen Umständen des Mieters ihr Ursache haben.
Danach ist im Falle der Vereinbarung des Betriebs einer Spielhalle als Mietzweck im Mietvertrag die Nutzungsuntersagung für den Betrieb einer Spielhalle durch die zuständige Behörde ein Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB, wenn sie auf der Unterschreitung des landesrechtlich geregelten Mindestabstandes zwischen Spielhallen und geschützten Einrichtungen für Minderjährige (hier allgemeinbildenden Schulen nach § 18a Abs. 4 Satz 1 SächsGlüStVAG) in Bezug auf das Mietobjekt beruht.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 5 O 724/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 24.02.2020 (5 O 724/19) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.633,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB aus
1.933,75 EUR vom 04.10.2018 bis zum 04.11.2018,
3.867,50 EUR vom 05.11.2018 bis zum 05.12.2018,
5.801,25 EUR vom 06.12.2018 bis zum 03.01.2019,
8.084,56 EUR vom 04.01.2019 bis zum 04.02.2019 und aus
9.633,95 EUR seit dem 05.02.2019
zu zahlen.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche hälftige Anwaltskosten in Höhe von 443,51 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 09.08.2019 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreites tragen in I. Instanz die Klägerin 5/6 und die Beklagte 1/6 sowie in II. Instanz die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beide Parteien können jeweils die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, die Eigentümerin des Grundstückes K. S. in D., nimmt die Beklagte auf Zahlung von Miete für Gewerberäume auf diesem Grundstück für den Zeitraum von Oktober 2018 bis März 2019 in Anspruch.
Mit Erwerb des Grundstückes am 29.03.2007 ist die Klägerin als Vermieterin in den mit der Beklagten bereits bestehenden Mietvertrag eingetreten. Der Mietvertrag mit der Beklagten wurde durch die damalige Grundstückseigentümerin bereits am 11.06.1990 geschlossen und durch den als Anlage K 1 vorgelegten Vertrag vom 21.07./01.08.1995 ergänzt. Zum Mietvertrag wurden Nachträge geschlossen vom 24.05./06.04.2000 (Anlage K 2), vom 27./22.07.2005 (Anlage K 3), vom 25./26.09.2007 (Anlage K 4) und vom 06./10.05.2011 (Anlage K 5).
Ab dem 01.09.2014 war eine monatliche Bruttogesamtmiete von 9.133,25 EUR vereinbart, die sich aus einer Grundmiete von 6.500,00 EUR netto und Nebenkostenvorauszahlungen von 1.175,00 EUR netto zuzüglich Mehrwertsteuer zusammensetzte. Als Mietzweck war in § 1 Nr. 1 des Mietvertrages bestimmt: "Zum Betriebe einer bauaufsichtlich bereits genehmigten bzw. noch zu genehmigenden Spielstätte mit Gaststätten- und Bistrobereich im vorderen Bereich". Unter § 1 Nr. 4 des Mietvertrages war vereinbart: "Der Vermieter leistet keine Gewähr dafür, dass die gemieteten Räume den in Frage kommenden technischen Anforderungen sowie den behördlichen und anderen Vorschriften entsprechen. Der Mieter hat behördliche Auflagen auf eigene Kosten zu erfüllen. Die Räume dürfen nur für die nach den jeweiligen behördlichen Bestimmungen zulässigen Zwecke benutzt werden." Ziffer 10 der Anlage 1 zum Mietvertrag enthielt folgende Regelung: "Für Auflagen von Behörden, die die Mieträume betreffen, hat der Mieter selbst einzustehen und diesen auf eigene Kosten nachzukommen." Mit dem Nachtrag vom 06./10.05.2011 legten die Parteien die Vertragslaufzeit auf 10 Jahre ab dem 01.01.2011 fest.
Die Beklagte erhielt eine personen- und raumbezogene Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Aufstellung von Spielgeräten im Mietobjekt. Am 15.12.2011 schlossen eine Vielzahl von Bundesländern, zu denen auch der Freistaat Sachsen gehörte, einen neuen Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV), der als Nachfolgeregelung des zum 01.01.2012 außer Kraft tretenden Glücksspielstaatsvertrages vom 30.01.2007 am 01.07.2012 in Kraft trat. Auf der Grundlage des neuen Glücksspielstaatsvertrages wurde das Sächsische Ausführungsgesetz zum Glücksspielstaatsvertrag (SächsGlüStVAG) vom 14.12.2007 durch Art. 3 des Gesetzes vom 14.06.2012 (SächsGVBl. S. 270) geändert und dadurch mit Wirkung vom 01.07.2012 § 18a Abs. 4 S. 1 SächsGlüStVAG eingefügt, nach welchem der Abstand einer Spielhalle zu einer weiteren Spielhalle oder zu einer allgemeinbildenden Schule 250 m Luftlinie nicht unterschreiten soll.
Das Mietobjekt ...