Leitsatz (amtlich)
Es stellt keinen Behandlungsfehler dar, wenn einer erfahrenen und fachgerecht ausgebildeten Medizinisch-technischen Assistentin für Radiologie intravenöse Injektonen zur Vorbereitung von Diagnosemaßnahmen übertragen werden, sofern für eine regelmäßige Kontrolle und Überwachung durch den Arzt Sorge getragen wird.
Ein Patient ist vor einer intravenösen Injektion in die Ellenbogenbeuge über das Risiko von Nervenirritationen aufzuklären.
Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 05.10.2007; Aktenzeichen 6-O-3070/03) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Dresden vom 5.10.2007 - 6 O 3070/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren und das Verfahren erster Instanz wird auf 15.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die in einer radiologischen Gemeinschaftspraxis verbundenen Beklagten als Gesamtschuldner auf Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für die Folgen einer zur Vorbereitung eines Schilddrüsen-Szintigramms erfolgten Injektion einer Technetium-Lösung in die Vene ihrer rechten Ellenbeuge in Anspruch. Die Injektion wurde aufgrund einer Überweisung der Hausärztin der Klägerin, Frau Dipl. med L, am 20.9.2000 von der leitenden medizinisch-technischen Radiologieassistentin (MTA) der Gemeinschaftspraxis, der Zeugin E, vorgenommen.
Die Klägerin behauptet, Frau E sei nicht hinreichend qualifiziert und im Behandlungszeitpunkt zu unerfahren gewesen; die Injektion selbst sei fehlerhaft ausgeführt worden. Eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität sei geboten, weil derartige Injektionen generell dem Arzt vorbehalten seien und nicht durch eine MTA ausgeführt werden dürften. Die Beklagten hafteten daneben noch wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen einschließlich der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO). Das LG hat die Klage abgewiesen.
Mit der Berufung macht die Klägerin geltend, die Entscheidung des LG sei fehlerhaft, weil hieran ein Richter mitgewirkt habe, der an der zugrunde liegenden Beweisaufnahme nicht teilgenommen hat, und die Klägerin im Termin vom 21.6.2006 nicht "abschließend angehört" worden sei. Entgegen der Auffassung des LG sei von einem Behandlungsfehler auszugehen, für den die Beklagten als Gesamtschuldner einstehen müssten. Die der Szintigraphie vorausgehende Injektion sei nicht auf nichtärztliches Personal übertragbar, weil die Injektion mit Technetium, einem Nuklid, schwierig sei. Die Zeugin E habe im Übrigen nicht über eine "verfestigte Erfahrung" mit derartigen Injektionen verfügt. Angesichts dessen spreche der Beweis des ersten Anscheins für ein Durchstechen der Arterie in der Ellenbogenbeuge und für einen Behandlungsfehler. Die Injektion sei zudem aufklärungsbedürftig gewesen, eine Risikoaufklärung sei indes nicht erfolgt, die Voraussetzungen für eine hypothetische Einwilligung lägen nicht vor. Die Klägerin habe durch diesen Behandlungsfehler schwere körperliche Schädigungen in Form einer Nervenläsion und eines Karpaltunnelsyndroms erlitten, die entgegenstehenden Ausführungen des Sachverständigen seien "zu unsicher" und daher nicht verwertbar. Die Schmerzen hätten bis in das Jahr 2003 angehalten, ein Rückfall könne auch für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden.
Sie beantragt,
1. Die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 10.000 EUR zzgl. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle bereits entstandenen und zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die im Zusammenhang mit der Behandlung vom 20.9.2000 entstanden sind und noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergegangen ist
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil.
Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Der Senat hat die Klägerin im Termin vom 3.7.2008 ergänzend angehört. Für das Ergebnis dieser Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
II. Die Berufung ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
Allerdings ist im Anschluss an die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH NJW 2006, 437; VersR 2001; 510; vgl. auch OLG Koblenz VersR 2005, 655; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 5. Aufl. A Rz. 15) davon auszugehen, dass das Auftreten in einer radiologischen Gemeinschaftspraxis die gesamtschuldnerische Haftung aller Beklagten für eine nur der Beklagten zu 2 zur Last fallende Schlechterfüllung des Behandlungsvertrages bei der Anfertigung eines Schilddrüsenszintigramms begründet, obwohl nur sie die hi...