Leitsatz (amtlich)
Die Einbeziehung der AVBGasV macht einen Gasversorgungsantrag nicht zu einem Tarifkundenvertrag. Knüpft ein Gastarif an einen erhöhten Gasbedarf an, handelt es sich nicht um ein Angebot an jedermann. Zur Einbeziehung der AVBGasV als Allgemeine Geschäftsbedingungen bedarf es der Zusendung der AVBGasV.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Urteil vom 06.05.2008; Aktenzeichen 1 O 2620/05) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger wird das Teilurteil des LG Chemnitz vom 06.5.2008 - 1 O 2620/05 - abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die jeweils zwischen den Klägern und der Beklagten bestehenden Gasversorgungs- verträge über den 30.6.2005 hinaus unverändert - von der Erhöhung der Mehrwertsteuer abgesehen - zu den ab 1.10.2004 geltenden Preisen gemäß Preisblatt der Beklagten "Preisinformation Erdgas (gültig ab 1.10.2004)" fortbestehen, für die Klägerin zu 222), Frau U.M., gilt dies nur bis zum 31.3.2008.
2. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 105 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 105 % des beizutreibenden Betrages leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 25.000 EUR.
Gründe
I. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen. Das LG hat die Klage, soweit sie sich gegen die Tariferhöhungen der Beklagten zum 01.7.2005, 01.1. und 01.5.2006 richtet, abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger.
Sie beantragen, unter Abänderung des am 6.5.2008 ergangenen Urteils des LG Chemnitz, 1 O 2620/05, festzustellen, dass die jeweils zwischen den Klägern und der Beklagten bestehenden Gasversorgungsverträge über den 30.6.2005 hinaus unverändert - von der Erhöhung der Mehrwertsteuer abgesehen - zu den ab 1.10.2004 geltenden Preisen gemäß Preisblatt der Beklagten "Preisinformation Erdgas (gültig ab 1.10.2004)" fortbestehen; mit der Einschränkung, für die Klägerin zu 222), Frau U.. M., nur bis zum 31.3.2008.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S., P., B. und S. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll vom 9.12.2009 (Bl. 1317 dA).
II. Die Berufung der Kläger hat Erfolg.
1. Das LG durfte durch Teilurteil entscheiden. Es wird Bezug genommen auf den Beschluss des Senats vom 24.3.2009 (Bl. 1205 dA), die Verfügung des Vorsitzenden vom 06.5.2009 (Bl. 1222 dA) und den Beschluss des LG Chemnitz vom 26.5.2009 (Bl. 1226 dA).
2. Die Feststellungsklage ist zulässig, die Kläger haben ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die von der Beklagten vorgenommenen Preiserhöhungen unwirksam sind (§ 256 Abs. 1 ZPO; BGH - NJW 2009, 578 Tz. 11).
3. Die Feststellungsklage ist auch begründet. Die von der Beklagten zum 01.7.2005, 01.1.2006 und 01.5.2006 vorgenommenen Preiserhöhungen sind unwirksam, da die Beklagte ein Preiserhöhungsrecht weder aus § 4 Abs. 2 AVBGasV (dazu a) noch aus ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (dazu b) noch aus einer ergänzenden Vertragsauslegung (dazu c) herleiten kann.
a) Die AVBGasV gilt zwischen den Parteien nicht als Rechtsvorschrift, da die Kläger nicht Tarifkunden i.S.d. § 1 Abs. 2 AVBGasV sind.
Für die Beurteilung, ob es sich bei öffentlich bekannt gemachten Vertragsmustern und Preisen um Tarif- bzw. Grundversorgungsverträge mit allgemeinen Tarifpreisen (§ 6 Abs. 1 EnWG) oder Allgemeinen Tarifen (§ 10 Abs. 1 EnWG 1998) handelt, kommt es darauf an, ob das betreffende Versorgungsunternehmen die Versorgung zu den öffentlich bekannt gemachten Bedingungen und Preisen - aus der Sicht eines durchschnittlichen Abnehmers - im Rahmen einer Versorgungspflicht nach den genannten Vorschriften oder unabhängig davon im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit anbietet (BGH - NJW 2009, 2667 Tz. 13). Welche Art von Vertrag vorliegt, ist daher durch Auslegung zu ermitteln (BGH, a.a.O., Tz. 16). Unerheblich ist dabei, wie das Versorgungsunternehmen den Tarif bezeichnet und ob das Versorgungsunternehmen den Versorgungsvertrag der AVBGasV unterstellt oder nicht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.06.2009 - VI-2 U (Kart) 14/08). Entgegen der Ansicht der Beklagten macht die Einbeziehung der AVBGasV die Verträge nicht zu Tarifkundenverträgen (KGR Berlin 2009, 149; de Wyl/Essig/Holtmeier in Schneider/Theobald; Handbuch zum Recht der Energiewirtschaft, § 10 Rn. 18). Bei der Auslegung ist zu berücksichtigen, dass Sonderkunden nicht nur solche Kunden sind, mit denen die Bedingungen und/oder Preise individuell ausgehandelt worden sind, da eine solche Beschränkung mit dem Willen des Gesetzgebers nicht zu vereinbaren wäre (OLG Düsseldorf, a.a.O. unter Hinweis auf BT-Drs...