Leitsatz (amtlich)

1. Fehlt in einem Beitragserhöhungsschreiben in der Privaten Krankenversicherung die Angabe, dass die Veränderung den maßgeblichen Schwellenwert überschreitet, ist die Erhöhung formell unwirksam.

2. Wird die erforderliche Begründung später nachgeholt, wird hierdurch die für die Neufestsetzung angeordnete Frist in Lauf gesetzt.

3. Es reicht aus, wenn sich die erforderlichen Angaben aus einer Zusammenschau der übersandten Unterlagen ergeben; es ist nicht erforderlich, dass diese im Erhöhungsschreiben selbst enthalten sind.

4. Mit Erhalt des jeweiligen Anpassungsschreibens ist auch dann die für den Beginn der Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis gegeben, wenn der Versicherungsnehmer in Unkenntnis über die Rechtslage ist.

 

Verfahrensgang

LG Leipzig (Aktenzeichen 03 O 3012/20)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 26.07.2021 - 3 O 3012/20 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Kranken- und Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer 00/00/0.000000.0 unwirksam waren:

a) im Tarif 1... die Erhöhung zum 01.01.2013 in Höhe von 59,00 EUR,

im 2... die Erhöhung zum 01.01.2013 in Höhe von 5,90 EUR,

b) im Tarif 1... die Erhöhung zum 01.01.2014 in Höhe von 5,00 EUR,

im 2... die Erhöhung zum 01.01.2014 in Höhe von 0,50 EUR,

c) im Tarif 1... die Erhöhung zum 01.01.2015 in Höhe von 11,22 EUR,

im 2... die Erhöhung zum 01.01.2015 in Höhe von 1,12 EUR,

im Tarif 3... die Erhöhung zum 01.01.2015 in Höhe von 1,30 EUR

d) im Tarif 1... die Erhöhung zum 01.01.2017 in Höhe von 21,69 EUR,

im 2... die Erhöhung zum 01.01.2017 in Höhe von 2,17 EUR

im Tarif 4... die Erhöhung zum 01.01.2017 von 1,82 EUR

und der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages bis zum 31.12.2019 verpflichtet war.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.903,12 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29.01.2021 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die diese aus dem Prämienanteil in der Zeit vom 01.01.2017 bis 28.01.2021 aus den unter Ziffer 1. aufgeführten Beitragserhöhungen gezogen hat.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreites in erster Instanz tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3 und die des Berufungsverfahrens tragen der Kläger und die Beklagte zu je 1/2.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die andere Seite Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Beschluss:

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 7.823,05 EUR festgesetzt. Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird auf 10.787,95 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten im Rahmen der vom Kläger bei der Beklagten gehaltenen Krankenversicherung um die Rechtmäßigkeit von Beitragserhöhungen zum 01.01.2013, 01.01.2014, 01.01.2015, 01.01.2017 sowie zum 01.01.2020. Bei dem Tarif 1... handelt es sich um eine Krankheitskostenversicherung, bei 2... handelt es sich um keinen eigenständigen Tarif, sondern um den gesetzlichen Zuschlag nach § 149 VAG und bei dem Tarif 3... handelt es sich um eine Krankentagegeldversicherung. Der Tarif 4... ist eine Sparkomponente zur Beitragsreduzierung im Alter. Den Erhöhungen zum 01.01.2014, 01.01.2015 und im Tarif 3... zum 01.01.2020 lag eine Unterschreitung des Schwellenwertes des auslösenden Faktors zugrunde.

In der Berufung greift der Kläger die Wirksamkeit der Beitragsanpassung zum 01.01.2020, die das Landgericht in den Tarifen 1..., 2... und 4... angenommen hat, nicht mehr an.

Die Versicherungsbedingungen der Beklagten enthalten u. a. in § 8 b folgende Regelungen:

"I. ... (2) Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vorübergehend anzusehen ist ....

II. Ergibt die Gegenüberstellung gemäß § 8 b (1) Satz 2 der MB/KK 2009 eine Veränderung von mehr als 10% der .... Versicherungsleistungen .... Bei einer Veränderung von mehr als 5% der in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen können alle Tarifbeiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und - soweit erforderlich mit Zustimmung des Treuhänders angepasst werden." ...

Die Beklagte hat die Prämien mit Beitragserhöhungsschreiben jeweils aus November des Vorjahres zum jeweils 01.01. des Folgejahres erhöht. Der Tarif 3... ist zum 01.01.2016 und zum 01.01.2017 ermäßigt worden. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 07.04.2021 mitgeteilt, dass die Beitragsanpassungen wegen Abweichungen bei den Versiche...

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