Leitsatz (amtlich)
1. Die einseitig gesetzte Annahmefrist unterfällt der Inhaltskontrolle nach § 10 Nr. 1 AGBG.
2. Die in einem formularmäßigen notariellen Angebot zum Kauf einer Eigentumswohnung bestimmte Bindungsfrist von 10 Wochen verstößt gegen § 10 Nr. 1 AGBG.
3. Für die Frage der Angemessenheit der Bindungsfrist ist auf die Üblichkeit und Angemessenheit der Frist abzustellen.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Urteil vom 13.02.2003; Aktenzeichen 11 O 6642/01) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG Leipzig vom 13.2.2003, Az. 11-O-6642/01, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 90.000 Euro abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Kaufvertrages über den Erwerb einer Eigentumswohnung und die Rückzahlung des i.H.v. 79.355,75 Euro geleisteten Teilkaufpreises.
Durch das der Beklagten am 18.2.2003 zugestellte Urteil vom 13.2.2003, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO), hat das LG Leipzig der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die der Beklagten eingeräumte Annahmefrist von 10 Wochen sei eine vorformulierte Vertragsbedingung und unangemessen lang gem. § 10 Nr. 1 AGBG. An die Stelle dieser unwirksamen Klausel trete nach § 6 Abs. 2 AGBG die gesetzliche Bestimmung nach § 147 Abs. 2 BGB. Angemessen sei eine Annahmefrist von maximal 6 Wochen, weshalb die Annahme der Beklagten rund 8 Wochen nach Beurkundung des Angebots der Klägerin verspätet erfolgt sei. Die als neues Angebot zu wertende verspätete Annahme habe die Klägerin - zumindest formwirksam - nicht angenommen. Im Übrigen sei der Vertrag wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten worden. Die Beklagte habe die Klägerin über den Bautenstand getäuscht und über die mit dem Wohnungskauf und der Vollfinanzierung verbundenen finanziellen Auswirkungen weder vollständig noch richtig aufgeklärt. Die Rückzahlung des Kaufpreises könne nur Zug um Zug gegen Löschung der Auflassungsvormerkung und auch Lastenfreistellung erfolgen.
Hiergegen richtet sich die am 18.3.2003 eingelegte und - nach entsprechender Fristverlängerung - am 25.4.2003 begründete Berufung der Beklagten. Sie rügt - unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens - eine Rechtsverletzung und unzureichende sowie fehlerhafte Tatsachenfeststellung. Die Interessenabwägung unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen der Vertragspartner führe zu einer Angemessenheit der streitigen Annahmefrist. Das LG habe das Beweisangebot hierfür übergangen. Der Vertrag sei auch nicht wirksam angefochten worden, weil eine Täuschungsabsicht der Beklagten weder behauptet noch vom Gericht festgestellt worden sei. Die Klägerin sei auch vollständig und richtig aufgeklärt worden.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des LG Leipzig vom 13.2.2003, Az. 11-O-6642/01, abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Hilfsweise den Rechtsstreit gem. § 538 Abs. 2 ZPO zur neuen Entscheidung an das LG Leipzig zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt - unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens - die angefochtene Entscheidung und rügt den Vortrag der Beklagten teilweise als verspätet.
Wegen der Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.6.2003 Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
1. Die Berufung ist - insb. unter Berücksichtigung der Zulässigkeitsvoraussetzung nach dem Zivilprozessreformgesetz - zulässig. Die Beklagte rügt eine Rechtsverletzung und eine unzureichende Tatsachenfeststellung unter Bezeichnung der Umstände und der konkreten Anhaltspunkte (§§ 513 Abs. 1, 520 Abs. 3 Nr. 2 und 3 ZPO).
2. Die Berufung ist indes unbegründet. Nach Auffassung des Senats ist zwischen den Parteien kein wirksamer Vertrag zustande gekommen.
2.1 Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch und das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB).
2.2 Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des ohne Rechtsgrund als Kaufpreis an die Beklagte gezahlten Betrages i.H.v. 79.355,75 Euro (§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB).
Zwischen den Parteien ist kein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen, weil die Beklagte das Angebot der Klägerin vom 6.7.2000 nicht innerhalb der Frist des § 147 Abs. 2 BGB angenommen hat. Die Klägerin hat sich in dem streitgegenständlichen Angebot in Teil A für die Dauer von 10 Wochen an ihr Angebot gebunden, indem ein Widerruf des Angebots nicht vor Ablauf von 10 Wochen zulässig sein sollte. Danach wäre der Vertrag ...