Leitsatz (amtlich)

Eine durch Austrocknung des Bodens erfolgende Bodenabsenkung mit der Folge von Gebäudeschäden ist weder als Erdfall noch als Erdrutsch anzusehen.

 

Verfahrensgang

LG Chemnitz (Aktenzeichen 5 O 1780/21)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 23.02.2023, Az. 5 O 1780/21, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einer Wohngebäudeversicherung geltend. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Mit Urteil vom 23.02.2023 hat das Landgericht Chemnitz die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Gründe wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen das ihm am 24.02.2023 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.03.2023 Berufung eingelegt und diese am 24.04.2023 begründet.

Der Kläger macht mit seiner Berufung geltend, ein Versicherungsfall liege vor. Versichert seien Schäden durch Erdfall und Erdrutsch. Erdfall sei in den Versicherungsbedingungen definiert als "Einsturz des Erdbodens über natürlichen Hohlräumen, dessen Ursache ausschließlich naturbedingt ist". Als Erdrutsch werde bezeichnet: "ein plötzliches Abrutschen oder Abstürzen von Gesteins- oder Erdmassen, dessen Ursache ausschließlich naturbedingt ist." Dass es Hohlräume im Untergrund gegeben habe, ergebe sich allein schon aus dem Umstand, dass nach dem Schadensereignis 687 kg Harz mittels Injektionslanzen in den Baugrund eingebracht worden seien. Damit seien offensichtlich vorhandene Hohlräume verfüllt worden. Der erstinstanzlich angehörte Sachverständige habe zwar die Gründungssituation nicht als Schadensursache ausschließen können, habe für maßgeblich aber eine temporäre Austrocknung der Böden gehalten.

Der Begriff der naturbedingten Absenkung des Erdbodens sei aus Sicht eines verständigen Versicherungsnehmers auszulegen. Danach wären auch Senkungen des Bodens in Folge einer Schrumpfung durch Austrocknung erfasst. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erschließe sich nicht, dass eine Bewegung der Erdmasse eine Mindestgeschwindigkeit aufweisen müsse. Es könne für das Vorliegen eines Versicherungsfalls nicht entscheidend sein, ob das Schadensereignis plötzlich (Erdrutsch) oder langsam und kaum wahrnehmbar (Erdkriechen) erfolge. Eine Plötzlichkeit des Ereignisses werde von den Bedingungen nicht gefordert. Mithin könne eine Erdsenkung oder ein Erdfall im Sinne der Versicherungsbedingungen auch dann vorliegen, wenn der Absenkungsprozess mehrere Jahre dauere. Entscheidend sei nur, dass der Erdboden über natürlichen Hohlräumen in Bewegung gerate. Die Größe dieser Hohlräume spiele keine Rolle. Entsprechendes ergebe sich auch nicht aus den Versicherungsbedingungen.

Der Kläger beantragt in der Berufungsinstanz,

das am 23.02.2023 verkündete und am 24.02.2023 zugestellte Urteil des Landgerichts Chemnitz wird aufgehoben und

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 14.535,85 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem Wohngebäudeversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer AS9309879469 hinsichtlich der Schäden, welche mit Schreiben des Klägers vom 12.11.2018 angezeigt wurden, Versicherungsschutz zu gewähren hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Nach den Feststellungen des Sachverständigen seien die Witterungsbedingungen im Jahr 2018, konkret die Austrocknung des Bodens, eine denkbare Ursache für die Schäden. Das Verschwinden der im Boden enthaltenen Feuchtigkeit habe dazu geführt, dass das Bodenvolumen geschrumpft sei. Selbst wenn sich in diesem Zusammenhang Hohlräume bilden sollten, wären sie mikroskopisch klein. Der Sachverständige habe im Rahmen seiner ergänzenden Anhörung einen Mikrometerbereich angesprochen. Derart winzige Lücken im Erdmaterial mit dem Begriff Hohlraum zu umschreiben, wäre lebensfremd. Selbst der Kläger habe ursprünglich unter dem Begriff Hohlraum weit größere Lücken im Boden verstanden, was auch seine Ausführungen in der Klageschrift (Seite 3) zeigen würden. Schließlich stütze die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.11.2022 (VI ZR 62/22) das Verständnis des Klägers nicht. Es komme danach allein auf den allgemeinen Sprachgebrauch an und nicht auf Fachterminologie. Ein Erdfall könne schon aus sprachlicher Sicht nicht mit einer Erdsenkung gleichgesetzt werden. Erdsenkungen seien nicht versichert. Zudem sei es für einen Erdfall charakteristisch, dass eine Plötzli...

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