Leitsatz (amtlich)
1. Die Anforderungen an die Darlegung des Berufsbildes in gesunden Tagen darf dem Versicherten, der Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung begehrt, nicht durch übersteigerte Anforderungen erschwert werden. War er als Koch in einem Eiscafé tätig, genügt eine Zusammenfassung in Stichworten, aufgrund derer sich jeder Dritte die konkrete Tätigkeit unschwer vorstellen kann.
2. Sehen die Versicherungsbedingungen für einen Selbständigen die Verpflichtung zu einer zumutbaren Umorganisation vor, gilt dies für den aufgrund eines Dienstvertrages mit einem Betriebsinhaber Tätigen nur dann, wenn ihm dort ein Direktionsrecht über die Mitarbeiter des aufnehmenden Betriebes und die Möglichkeit, betriebliche Abläufe umzugestalten, vertraglich eingeräumt ist.
3. Die Klausel in den AVB, wonach der Anspruch mit Ablauf des Monats entsteht, in dem Berufsunfähigkeit eingetreten ist, bedingt § 14 VVG nicht ab.
Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 31.08.2017; Aktenzeichen 8 O 2611/12) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 31.08.2017 - Az. 8 O 2611/12 - in Ziffern 1. und 2. wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 15.000,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag i.H.v. 13.000,00 EUR seit dem 29.09.2012, sowie aus weiteren 1.000,00 EUR seit dem 30.09.2012 und aus weiteren 1.000,00 EUR seit dem 31.10.2012 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 723,30 EUR nebst Zinsen i.H. des jeweils geltenden Zinssatzes für die Depoteinlagen bei der Beklagten aus einem Betrag i.H.v. 626,86 EUR seit dem 29.09.2012 sowie aus weiteren 48,22 EUR seit dem 30.09.2012 und aus weiteren 48,22 EUR seit dem 31.10.2012 zu zahlen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 51.462,40 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung von Versicherungsleistungen sowie die Feststellung der Einstandspflicht für künftige Versicherungsleistungen wegen behaupteter Berufsunfähigkeit aus einer bei der Beklagten im Jahre 2010 abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung. Vereinbart war dort eine Laufzeit von 35 Jahren, beginnend ab dem Jahre 2010 und die Zahlung einer monatlichen Rente im Falle der Berufsunfähigkeit i.H.v. 1.000,00 EUR, beginnend mit einem monatlichen Versicherungsbeitrag i.H.v. 46,84 EUR sowie einer Beitragssteigerung ab dem 01.05.2015 auf monatlich 70,62 EUR (vgl. Anlage K 1). In § 1 der einbezogenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die BUV (AVB) verpflichtet sich die Beklagte, die vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente zu zahlen und den Versicherungsnehmer vollumfänglich von der Beitragszahlungspflicht zu befreien, wenn dieser als Versicherter zu mindestens 50 % berufsunfähig ist. In § 2 AVB heißt es auszugsweise:
"Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen ihren zuletzt ausgeübten Beruf so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, nicht mehr ausüben kann bzw. 6 Monate nicht mehr ausüben konnte und auch keine andere Tätigkeit ausübt, die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht."
Bei Selbstständigen setzt die vollständige Berufsunfähigkeit i.S.v. Satz 1 zusätzlich voraus, dass die versicherte Person auch nach einer zumutbaren Umorganisation des Betriebes außer Stande ist, ihren Beruf auszuüben. Eine Umorganisation ist beispielsweise dann zumutbar, wenn der versicherten Person die Stellung als Betriebsinhaberin erhalten bleibt, erheblicher Kapitaleinsatz nicht erforderlich ist und keine erheblichen Einkommenseinbußen damit verbunden sind.
Der Kläger war zuletzt als Koch im Eiscafé "V..." in B... auf der Basis eines mündlichen Dienstvertrages tätig. Seine Leistungen rechnete er monatlich gegenüber den Geschäftsführern ab. Im August 2011 wurde bei ihm nach notfallmäßiger Einlieferung eine akute bakterielle Herzinnenhautentzündung (floride Endokarditis) mit einer komplett zerstörten Aortenklappe sowie eine Abszesshöhle der arkonaren Aortenwand mit einem dort befindlichen septischen Thrombus festgestellt, die Aortenklappe nachfolgend durch eine Kunstprothese ersetzt. Im Zuge der Erkrankung erlitt der Kläger einen Hirninfarkt mit der Folge einer Hemiparese und verbliebener langfristiger Muskelschwächung des linken Armes und linken Beines. Am 25.01.2012 - nach Aufenthalten im Klinikum P., im Herzzentrum der Universitätsklinik D. und anschließend...