Leitsatz (amtlich)
Eine Krankenschwester kann bei vergleichbarer Ausbildungsdauer und Vergütung im Grundsatz auf die ausgeübte Tätigkeit als Kauffrau im Gesundheitswesen verwiesen werden. Eine spürbare Absenkung des Niveaus der sozialen Wertschätzung ist nicht schon deshalb anzunehmen, weil der Beruf der Krankenschwester öffentlich hohes Ansehen genießt, während bei einer Kauffrau im Gesundheitswesen vielfach kein Vorstellungsbild von der beruflichen Tätigkeit vorhanden ist.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 2553/21) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 23.03.2023 nebst Berichtigungsbeschluss vom 15.05.2023 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 46.515,20 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um (weitere) Leistungen aus einer privaten Berufsunfähigkeitszusatzversicherung im Nachprüfungsverfahren.
Die Klägerin unterhält als versicherte Person bei der Beklagten seit dem Jahr 2002 eine fondsgebundene Rentenversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung. Die Leistungsdauer endet am 31.07.2032. Im Vertrag einbezogen sind die Bedingungen der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BBUZ) der Beklagten. § 9 Abs. 1 BBUZ berechtigt die Beklagte, die Leistungen ggf. einzustellen:
"Liegt eine Berufsunfähigkeit im Sinne von § 1 dieser Bedingungen nicht mehr vor, stellen wir unsere Berufsunfähigkeitsleistungen ein. Die Einstellung teilen wir dem Anspruchsberechtigten unter Hinweis auf seine Rechte aus § 8 mit; sie wird nicht vor Ablauf eines Monats nach Absenden dieser Mitteilung wirksam, frühestens jedoch zu Beginn des darauffolgenden Monats."
§ 1 Abs. 2 BBUZ lautet
"Übt die versicherte Person jedoch nach Eintritt dieses Zustands eine andere, ihrer Ausbildung und Erfahrung sowie bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit aus und ist sie dazu auf Grund ihrer gesundheitlichen Verhältnisse zu mehr als 50 % in der Lage, liegt keine Berufsunfähigkeit vor."
§ 4 Abs. 4 BBUZ lautet:
"Der Anspruch auf die Berufsunfähigkeitsleistungen erlischt, wenn eine Berufsunfähigkeit gemäß § 1 nicht mehr vorliegt, [...]"
§ 9 Abs. 1 BBUZ lautet:
"Liegt eine Berufsunfähigkeit im Sinne von § 1 dieser Bedingungen nicht mehr vor, stellen wir unsere Berufsunfähigkeitsleistungen ein. Die Einstellung teilen wir dem Anspruchsberechtigten unter Hinweis auf seine Rechte aus § 8 mit; sie wird nicht vor Ablauf eines Monats nach Absenden dieser Mitteilung wirksam, frühestens jedoch zu Beginn des darauf folgenden Monats."
1995 absolvierte die Klägerin erfolgreich die Abschlussprüfung als Krankenschwester. Als solche erzielte sie bei dem ... Klinikum ... bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden einen durchschnittlichen monatlichen Bruttolohn von 2.979,17 EUR im Jahre 2015, 3.015,75 EUR im Jahre 2016 und 3.368,39 EUR im Jahre 2017.
Mit Selbstauskunft zur Berufsunfähigkeit vom 13.07.2018 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten Leistungen wegen Berufsunfähigkeit geltend. Sie berief sich auf eine gesundheitliche Verschlechterung im Februar 2018 wegen eines atopischen Ekzems im Bereich der Hände sowie einer Latex-Allergie. Da sie oft Risse und offene Stellen an den Händen bekomme, könne sie ihre Tätigkeit als Krankenschwester im ...... Klinikum nicht mehr fortsetzen. Sie arbeite 8 Stunden täglich und insgesamt 32 Stunden pro Woche mit Schichtarbeit und Wochenenddienst. Auf die Frage, wie sich ihre Berufstätigkeit normalerweise zusammensetze, machte sie - außer der Organisation ihrer eigenen Tätigkeit - lediglich Angaben zur Rubrik "körperliche Arbeiten", wobei sie auch "Dokumentation bis 0,5 h -1 h/d und mehr" für die Umlagerung querschnittsgelähmter Patienten bei bestehendem Dekupitus sowie "bis zu 20 Minuten am Tag und mehr" für hauswirtschaftliche Arbeiten wie Flächendesinfektion eintrug. Mit Schreiben vom 27.08.2018 erkannte die Beklagte die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit der Klägerin an und zahlte rückwirkend ab dem 01.03.2018 im Voraus eine monatliche Rente in Höhe von 926,90 EUR.
Während der Leistungsdauer absolvierte die Klägerin ab dem 29.01.2019 eine 2-jährige Umschulung zur Medizinischen Fachangestellten und legte am 21.01.2021 ihre Abschlussprüfung in dem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf "Kauffrau im Gesundheitswesen" ab. Mit Wirkung zum 22.01.2021 schloss die Klägerin einen Änderungsvertrag mit dem ... Klinikum ... ab. Die im bestehenden Vertrag benannte Entgeltgruppe (EG) 7a wurde durch die EG 5 ersetzt. Die Weiterbeschäftigung erfolgte nunmehr als Medizinische Fachangestellte und in Teilzeit im Umfang von 35...