Leitsatz (amtlich)
1. Der Versicherer kann anlässlich eines Leistungsantrags vom Versicherungsnehmer auch Auskünfte verlangen, mit denen er die Voraussetzungen für eine Gefahrerhöhung oder Obliegenheitsverletzung in Erfahrung bringen will. Ein Anspruch auf Herausgabe sämtlicher über den Versicherungsnehmer geführter Behandlungsunterlagen hat er jedoch nicht.
2. Der Versicherungsnehmer ist für eine schuldhafte Verzögerung der Erhebungen zu einem Versicherungsfall seitens des Versicherers beweisbelastet; dem bloßen Zeitablauf kommt beweisrechtlich keine Bedeutung zu.
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 1175/16) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 25.06.2019 (Az.: 8 O 1175/16) wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.736,14 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von der Aufnahme des Tatbestandes wird gemäß §§ 540, 313 a ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
1. Zu Recht hat das Landgericht die Klage bezogen auf den Klageantrag zu Ziffer 1 als derzeit unbegründet abgewiesen.
Die von der Klägerin verlangte Geldleistung aus dem Versicherungsvertrag ist nach wie vor nicht fällig (§ 14 VVG).
Gemäß § 14 Abs. 1 VVG sind Geldleistungen fällig mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs der Leistungen des Versicherers notwendigen Erhebungen. Die notwendigen Erhebungen im Sinne des § 14 Abs. 1 VVG sind jedoch durch die Beklagte nicht abgeschlossen.
a) Zu den notwendigen Erhebungen zählt zunächst die Beschaffung derjenigen Unterlagen, die ein durchschnittlicher sorgfältiger Versicherer des entsprechenden Versicherungszweigs benötigt, um den Versicherungsfall und den Umfang der von ihm zu erbringenden Leistungen zu prüfen und abschließend festzustellen (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 27. August 2019, Az.: 5 W 46/19 - juris; Prölss/Martin, a.a.O., § 14 Rz. 8). Im Zusammenhang mit der Prüfung des Versicherers hat der Versicherungsnehmer jedoch seinerseits Mitwirkungsobliegenheiten, die in den Versicherungsbedingungen vereinbart sein können oder sich im Übrigen aus dem Gesetz (§ 31 Abs. 1 VVG) ergeben. Gemäß § 31 Abs. 1 VVG kann der Versicherer nach dem Eintritt des Versicherungsfalles verlangen, dass der Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist (Satz 1), und dass ihm insoweit Belege vorgelegt werden, als deren Beschaffung dem Versicherungsnehmer billigerweise zugemutet werden kann (Satz 2). Die nach dem Gesetz zwar sanktionslose, für den Versicherungsnehmer dennoch verbindliche Obliegenheit nach § 31 Abs. 1 VVG setzt ein Verlangen des Versicherers voraus. Danach muss der Versicherungsnehmer dem Versicherer, der sich ein klares Bild von seiner Leistungspflicht machen will, erst auf entsprechende Aufforderung hin weitere Kenntnisse verschaffen und Beweise erbringen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2017, Az.: IV ZR 289/14 - juris). In diesem Rahmen kommt dem Versicherer grundsätzlich ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu, welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, um seine Entscheidung über die Leistungspflicht auf ausreichender und gesicherter Tatsachengrundlage treffen zu können. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob sich die geforderten Angaben nach dem Ergebnis der Prüfung tatsächlich als wesentlich erweisen, da die Frage der Erforderlichkeit ex ante zu beurteilen ist (vgl. BGH, a.a.O.). Dabei hat der BGH in der vorgenannten Entscheidung den Ausgleich der insoweit widerstreitenden Interessen - einerseits das Interesse des Versicherers bzw. der Gemeinschaft der Versicherten zur Vermeidung ungerechtfertigter Versicherungsleistungen alle Tatsachen zu erfahren, die unmittelbar oder auch erst nach der Ausübung von Gestaltungsrechten zu seiner Leistungsfreiheit führen können und andererseits das Interesse des Versicherungsnehmers, dass keine Daten erhoben werden, die dem Versicherer über das erforderliche Maß hinaus in weitem Umfang sensible Informationen über den Versicherungsnehmer gewähren - dadurch hergestellt, dass der Versicherungsnehmer bei der Erhebung von Daten durch den Versicherer grundsätzlich nur insoweit mitzuwirken hat, als diese zur Prüfung des Leistungsfalles relevant sind. Kann der Umfang der Datenerhebung nicht vornherein auf entsprechende Informationen beschränkt werden, weil dem Versicherer noch unbekannt ist, worauf er sein Augenmerk zu richten hat, so erstreckt sich die Obliegenheit des Versicherungsnehmers zunächst auf die Einholung solcher weniger weitreichender und persönlichkeitsrelevanter Vorinformationen, die dem Versicherer eine Konkretisierung ermöglichen, welche Informationen im Weiteren tatsächlich für die Leistungsprüfung von Bedeutung sind. Ist es dem Versich...