Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltklage des Landes gegen einen in der Schweiz wohnhaften Elternteil

 

Leitsatz (redaktionell)

Für die Klage des Landes aus nach § 37 BAföG übergegangenem Recht gegen einen in der Schweiz wohnhaften Elternteil ist die internationale Zuständigkeit der schweizer Gerichtsbarkeit gegeben.

 

Normenkette

Lugano-Übereinkommen v. 16.9.1988 Art. 2 I, Art. 5 Nr.: 2

 

Verfahrensgang

AG Dresden (Urteil vom 26.04.2006; Aktenzeichen 309 F 3144/05)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG - FamG - Dresden vom 26.4.2006 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Beklagte wurde mit Urteil des AG Pirna vom 16.1.1998 verurteilt, an seine Tochter J., geboren am 5.11.1981, monatlichen Unterhalt i.H.v. 515 DM ab Juli 1996 zu zahlen. In der Zeit von August 2002 bis August 20 03 gewährte der Kläger der Tochter des Beklagten, die eine Ausbildung zur Medizinisch-Technischen Assistentin absolvierte, Vorausleistungen zur Ausbildungsförderung i.H.v. zunächst 318 EUR und ab Februar 2003 334 EUR.

Mit der vorliegenden Stufenklage nimmt der Kläger den Beklagten aus gem. § 37 BAfÖG übergegangenem Recht zunächst auf Auskunft über dessen Einkommensverhältnisse und mit dem auf zweiter Stufe angekündigten Antrag auf Abänderung des Unterhaltstitels vom 16.1.1998 für den Zeitraum von August 2002 bis August 2003 in Anspruch.

Der Beklagte, der in der Schweiz wohnt, rügt die Unzuständigkeit der deutschen Gerichte.

Das FamG hat die Stufenklage insgesamt als unzulässig abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Beklagte sei gem. Art. 2 des Lugano-Übereinkommens vor den schweizer Gerichten zu verklagen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der geltend macht, das erstinstanzlich angerufene AG sei gem. Art. 5 Ziff. 2 des Lugano-Übereinkommens örtlich und international zuständig. Die Vorschrift des Art. 5 Ziff. 2 des Lugano-Übereinkommens, die für Unterhaltssachen einen besonderen Gerichtsstand am Wohnsitz des Unterhaltsberechtigten begründe, gelte auch für Regressklagen öffentlicher Einrichtungen, die Unterhaltsansprüche aus übergegangenem Recht geltend machten.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, und verteidigt das erstinstanzliche Prozessurteil.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das FamG hat die Stufenklage zu Recht insgesamt als unzulässig abgewiesen, weil die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht gegeben ist.

1. Da der Beklagte seinen Wohnsitz in der Schweiz und damit im Hohheitsgebiet eines Staates hat, der nicht Mitglied der Europäischen Gemeinschaft ist, bestimmt sich die internationale Zuständigkeit nach den Vorschriften des Lugano-Abkommens vom 16.9.1988 (Art. 54b Abs. 2 a, 53 LugÜ), die die Zuständigkeitsregeln der Zivilprozessordnung, insb. § 23a ZPO, gänzlich verdrängen (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 642 Rz. 7). Nach Art. 2 Abs. 1 LugÜ sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hohheitsgebiet eines Mitgliedsstaates haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit grundsätzlich vor den Gerichten dieses Mitgliedsstaates, der Beklagte also vor den schweizer Gerichten zu verklagen.

2. Die von Art. 2 Abs. 1 LugÜ abweichende Zuständigkeitsregel für Unterhaltssachen in Art. 5 Ziff. 2 LugÜ ist zugunsten des Klägers nicht anwendbar. Diese Vorschrift eröffnet lediglich dem Unterhaltsberechtigten die Möglichkeit, in Unterhaltssachen auch vor dem Gericht des Ortes zu klagen, an dem er seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Sie gilt hingegen nicht für öffentlich-rechtliche Einrichtungen, die - wie vorliegend der Kläger gem. § 37 BAföG - Unterhaltsansprüche des Berechtigten aus übergegangenem Recht gegen einen Schuldner geltend machen, der seinen Wohnsitz in einem anderen Vertragsstaat hat als der Berechtigte (vgl. Kroppholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 5 LugÜ Rz. 65; Geimar/Schütze/Auer, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Juli 2006, Art. 5 EuGVÜ und LuGÜ Rz. 73, Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 642 Rz. 7).

Die Vorschrift des Art. 5 Ziff. 2 LugÜ spricht zwar allgemein von Klagen in Unterhaltssachen und fordert deshalb, worauf der Kläger zutreffend verweist, ihrem Wortlaut nach nicht, dass der Unterhaltsberechtigte selbst der Kläger sein rnuss (vgl. BGH, Urt. v. 26.9.2001 - XII ZR 89/99, MDR 2002, 50 = BGHReport 2002, 18, zitiert nach juris, Rz. 26). Das FamG ist jedoch in Übereinstimmung mit der vorzitierten herrschenden Literaturmeinung unter Hinweis auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 15.1.2004 (IPrax 2004, 240) zu Recht zu einer einschränkenden Auslegung des Art. 5 Ziff. 2 LugÜ gelangt.

Der Europäische Gerichtshof hat auf das Vorabentscheidungsersuchen des BGH v. 26.9.2001 - ZR 89/99 - für die mit Art. 5 Ziff. 2 LugÜ wörtlich über einstimmende Vorschrift des Art. 5 Ziff. 2 der EG-Verord ...

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