Leitsatz (amtlich)
Die für Wohnraummietverhältnisse geltende Vorschrift des § 940a Abs. 2 ZPO ist auf Mietverhältnisse über Gewerberaum weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Möglich ist im Bereich der Gewerberaummiete aber eine auf §§ 935, 940 ZPO gestützte Räumungsverfügung, wenn die Voraussetzungen des § 940a Abs. 2 ZPO erfüllt sind.
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Aktenzeichen 4 O 814/17 EV) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 29.08.2017 (4 O 814/17 EV) wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 29.08.2017 (4 O 814/17 EV) sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 24.240,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) wendet sich gegen die von der 4. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz mit Urteil vom 29.08.2017 (4 O 814/17 EV) erlassene Räumungsverfügung.
Der Verfügungskläger (im Folgenden: Kläger) ist Eigentümer des L... Str. ... und F... Str. ... in H. gelegenen Grundstücks, das er zum Betrieb eines Restaurants und Hotels einschließlich Wirtewohnung an die H... & F... KG verpachtet hatte. Die Pacht betrug zuletzt monatlich 2.020,00 EUR. Seit Januar 2013 erhält der Kläger keinerlei Pachtzahlungen mehr für das Objekt. Zwischenzeitlich nimmt der Abwasserzweckverband "XXX" den Kläger auf Zahlung von Gebühren für Schmutz- und Abwasser für das streitgegenständlichen Objekt in Anspruch (Anlagen K 13, K 14).
Der Senat hat mit Urteil vom 27.01.2017 (5 U 645/16) die H... & F... KG sowie sieben namentlich aufgeführte natürliche Personen, die im Objekt wohnten - zu denen jedoch nicht die hiesige Beklagte zählte -, als Gesamtschuldner verurteilt, dieses zu räumen und an den Kläger herauszugeben. Außerdem hat der Senat Frau K. S., eine gewerbliche Untermieterin der H... & F.... KG, verurteilt, den im Erdgeschoss F... Str. ... gelegenen Friseursalon zu räumen und an den Kläger herauszugeben.
Nach Ankündigung des Gerichtsvollziehers, die Räumungsvollsteckung vorzunehmen, erhob die Beklagte vor dem Amtsgericht Döbeln gegen den hiesigen Kläger Vollstreckungsgegenklage, beantragte die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Senates und trug vor, sie halte sich dauerhaft mit ihren beiden Kindern in den Räumen auf. Ersatzräume seien nicht vorhanden, bei Räumung würden sie und ihre Kinder obdachlos. Das Amtsgericht Döbeln stellte mit Beschluss vom 18.05.2017 (3 C 458/17) die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Senates einstweilen ein. Nachdem die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom dem Amtsgericht Döbeln am 10.09.2017 die Vollstreckungsgegenklage übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat das Amtsgericht der hiesigen Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Der Kläger hat beim Landgericht Chemnitz beantragt, der Beklagten im einstweiligen Verfügungsverfahren zu gebieten, die Gebäude- und Grundstücksflächen L... Str. ... und F... Str. ... in H. zu räumen und an ihn herauszugeben. Er erleide dadurch, dass er trotz rechtskräftigen Räumungsurteils die Immobilie nicht zurückerlange, einen sehr hohen finanziellen Schaden. Demgegenüber stehe der Beklagten ihm gegenüber kein Besitzrecht zu. Nach eigenen Angaben halte sich die Beklagte in dem Anwesen dauerhaft auf und sei dort polizeilich gemeldet, was er mit Nichtwissen bestreite; sie habe aber offenbar nicht einmal mit der Pächterin einen Nutzungsvertrag über die von ihr genutzten Räume abgeschlossen.
Das Landgericht hat die Beklagte am 29.08.2017 (4 O 814/17 EV) verurteilt, die Gebäude- und Grundstücksflächen L... Str. ... und F... Str. ... in H. zu räumen und an den Kläger herauszugeben. Der Anwendungsbereich des § 940a Abs. 2 ZPO sei vorliegend eröffnet, da das streitgegenständliche Anwesen auch zu Wohnzwecken genutzt werden könne und die Beklagte ersichtlich eine diesbezügliche Nutzung - ohne hierzu berechtigt zu sein - vornehme.
Gegen das den Parteien am 01.09.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit anwaltlichem Telefax am 18.09.2017 Berufung eingelegt und diese sogleich begründet. Sie meint, § 940a Abs. 2 ZPO sei nicht anwendbar, da es sich um ein Gewerberaummietverhältnis handele. Die Wohnraumnutzung sei untergeordnet, anderenfalls wären das Landgericht und das Oberlandesgericht nicht zuständig gewesen. Hinzu komme, dass es an der für eine Regelung im Eilverfahren erforderlichen besonderen Dringlichkeit fehle. Einstweilige Verfügungen, die zu einer uneingeschränkten Befriedigung des Hauptsacheanspruchs führten, seien außerhalb des Anspruchs wegen widerrechtlicher Besitzentziehung durch verbotene Eigenmacht, die vorliegend nicht gegeben sei, nur ausnahmsweise zulässig. Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalles habe der Kläger weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Mit Schriftsatz vom 13.10.2017 hat die Beklagte auf Nachfrage des Senates mitgeteilt, ein Umzug in die beginnend ab August angemiet...