Entscheidungsstichwort (Thema)
Schlüssigkeit einer Vaterschaftsanfechtungsklage durch Abstammungsgutachten. Vaterschaftsanfechtungsklage. hier: Verwertbarkeit eines heimlich eingeholten Abstammungsgutachtens
Leitsatz (redaktionell)
Heimlich eingeholte Abstammungsgutachten vermögen die Schlüssigkeit der Vaterschaftsanfechtungsklage zu begründen (gegen OLG Jena OLG – NL 203, 110)
Normenkette
BGB §§ 1599, 1600b Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
AG Grimma (Urteil vom 18.12.2003; Aktenzeichen 2 F 443/03) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des AG Grimma vom 18.12.2003 aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht der Vater des Beklagten ist.
III. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Die Revision zum BGH wird zugelassen.
Streitwert: 2.000 Euro.
Tatbestand
Mit Urkunde vom 11.1.1996 erkannte der Kläger an, Vater des am 25.1.1995 geborenen Beklagten zu sein. Am 18.1.1996 schloss er mit der Mutter die Ehe. Aus der Verbindung gingen zwei weitere Kinder (Ju., geboren 1996, Jo., geboren 1999) hervor. Im Frühjahr 2002 trennten sich die Eheleute; das Scheidungsverfahren ist rechtshängig (AG Grimma - 2 F 75/03). Am 3.7.2003 ging beim AG Grimma die Klage auf Anfechtung der Vaterschaft ein. Diese wurde am 25.8.2003 zugestellt. Mit Urteil vom 18.12.2003 wies das AG Grimma die Klage ab: Das ihr zugrunde liegende, vom Kläger in Auftrag gegebene und mangels Identitätssicherung nicht gerichtsverwertbare Abstammungsgutachten sei nicht geeignet, die Schlüssigkeit der Klage zu begründen.
Gegen das ihm am 29.12.2003 zugestellte Urteil legte der Kläger am 27.1.2004 Berufung ein, welche er mit Schriftsatz vom 27.2.2004 begründete. Er verfolgt sein erstinstanzliches Begehren weiter. Der Beklagte verteidigt das Urteil des AG Grimma und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Senat hat ein Abstammungsgutachen erholt und die Zeugen A.R., C.R., A.H. und R.L. vernommen.
Die Mutter des Beklagten, I.G., ist dem Rechtsstreit nicht beigetreten (Bl. 113 d.A.).
Entscheidungsgründe
Die in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung ist begründet.
1. Das vom Senat erholte, die Richtlinien der Bundesärztekammer für die Erstattung von Abstammungsgutachten (Stand März 2002) beachtende Gutachten vom 16.6.2004 kommt zu dem Ergebnis, der Kläger könne nicht der Vater des Beklagten sein: In 8 serologisch und 9 gentechnologisch untersuchten Blutgruppensystemen liegen 9 Vaterschaftsausschlüsse vor. Im Einzelnen, auch hinsichtlich des Identitätsnachweises wird auf Bl. 114 bis 128 d.A. verwiesen. Gegen die Fachkunde beauftragten öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen Dr. med. J.A. gibt es nichts zu erinnern; das Gutachten wird vom Beklagten auch nicht in Zweifel gezogen.
2.a) Dieser verteidigt das angefochtene Urteil im Wesentlichen damit, die Anfechtungsklage sei verfristet: Er habe nämlich eine deutlich dunklere Hautfarbe als seine beiden Schwestern; der Kläger habe deshalb schon bald nach seiner - des Beklagten - Geburt Zweifel an seiner Vaterschaft geäußert.
b) Diesen Nachweis konnte der hierfür beweispflichtige (BGH FamRZ 1990, 507 [509]; OLG Rostock v. 2.6.2003 - 11 UF 14/03, FamRZ 2004, 479) Beklagte nicht führen. Keine der von ihm benannten Zeuginnen hörte jemals Zweifel aus dem Mund des Klägers; alle bekundeten nur das, was ihnen die Mutter berichtete. Diese leugnete noch im vorliegenden Verfahren (Schriftsatz des Landratsamts ... vom 19.9.2003, Bl. 14, 15 d.A.) jeglichen Mehrverkehr innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit (§ 1600d Abs. 3 BGB, 31.3. bis 28.7.1994), obwohl zwischen den Eltern stets unstreitig war, dass ihre intime Beziehung von Ende April bis Anfang Dezember 1994 unterbrochen war. Die Mutter betrieb auch eine Art Vorwärtsverteidigung: Immer wieder, so die Aussage der Zeugin H. (Mutter des Klägers) wies sie von sich aus auf Ähnlichkeiten in Bezug auf Gestik, Mimik u.a. zwischen den Parteien hin. Hinsichtlich der im Vergleich zu den beiden Schwestern deutlich dunkleren Hautfarbe des Beklagten bezog sie sich auf die Herkunft ihrer Familie. Dies bestätigte auch die Zeugin L. Damit lieferte die Mutter eine Erklärung, die dem Kläger, von Beruf Arzt und damit in Kenntnis der Vererbungsgesetze, als einleuchtend erscheinen durfte.
c) Insgesamt vermittelte die Beweisaufnahme dem Senat die Überzeugung, dass die Frist des § 1600b Abs. 1 S. 2 BGB für den Kläger erst mit Zugang des auf 29.7.2002 datierten und auf Betreiben seiner Mutter eingeholten privaten Abstammungsgutachtens zu laufen begann (vgl. OLG Karlsruhe v. 2.7.2002 - 18 UF 251/00, FamRZ 2003, 52). Vorher hatte der Kläger - wenn überhaupt - nur vage Zweifel. Diese lösen die Anfechtungsfrist nicht aus (OLG Brandenburg v. 23.10.2003 - 15 UF 33/03, FamRZ 2004, 480); hierfür ist vielmehr die Kenntnis von Tatsachen erforderlich, aus...