Leitsatz (amtlich)
Auch bei einem Bauvertrag, der auf einer VOB/A-Ausschreibung beruht, ist das Verhalten der Parteien nach Vertragsschluss bei der durch Auslegung zu ermittelnden Bestimmung des Vertragsinhaltes zu berücksichtigen.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Urteil vom 30.09.2010; Aktenzeichen 6 O 2666/06) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Leipzig vom 30.9.2010, Az: 6 O 2666/06, im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, über den vom LG zuerkannten Betrag an die Klägerin weitere 1.304,18 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 1 % über der Spitzenrefinanzierungsfaszilität der EZB seit dem 20.9.2003, maximal jedoch 8 % über dem Basiszinssatz, zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt die Klägerin 94 % und der Beklagte 6 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 99 % und der Beklagte 1 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des von der Beklagten vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 107.076,50 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin, ein Fensterbauunternehmen, nimmt das beklagte Land auf Zahlung von weiterem Werklohn in Anspruch. Hinsichtlich des Sachverhaltes wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Ergänzend:
Dem Vertragsschluss zwischen den Parteien lag eine Ausschreibung nach VOB/A zugrunde. Während des Ausschreibungsverfahrens wurde der Klägerin mit Schreiben vom 13.7.2000 auch eine Tür- und Fensterliste zu dem zu errichtenden Gebäude, einem Polizeirevier, übermittelt.
Während der Bauausführung übersandte die Klägerin dem Architekturbüro und zum Teil auch dem für das beklagte Land tätigen Staatshochbauamt Leipzig wiederholt Detailpläne, die - soweit sie von ihr selbst und nicht von ihren Subunternehmern erstellt waren - u.a. rechts in einem Kasten den Satz "Nachtragsangebote werden nachgereicht, falls sich gemäß der freigegebenen Detailplanung Änderungen (Mehr- oder/und Minderkosten) gegenüber der jeweils ursprünglich beauftragten LV-Position ergeben oder/und die Ausführung zusätzlicher Leistungen angeordnet wird." sowie in einer weiteren Zeile das Wort "Änderung" enthielten. Nach dem Wort "Änderung" erfolgten keine Ausführungen.
Die Pläne wurden regelmäßig vom im Auftrag des Beklagten tätigen Architekturbüro, vereinzelt auch vom Sachbearbeiter des Staatshochbauamtes, in unterschiedlicher Form bestätigt. Während der Bauausführung bis zur Abnahme im August 2001 wurden von der Klägerin hinsichtlich der im Berufungsverfahren noch streitigen Positionen nur in einem Fall (Nachtrag N1) ein Nachtragsangebot beim Staatshochbauamt eingereicht.
Erst am 24.1.2003 erstellte die Klägerin ein sog. viertes Nachtragsangebot, welches von dem Beklagten nicht bestätigt wurde. Die Positionen des vierten Nachtragsangebotes waren aber Gegenstand der Schlussrechnung vom 6.6.2003 über einen Betrag von 829.911,67 DM (= 424.326,96 EUR), von denen der Beklagte Forderungen i.H.v. 621.496,11 DM (= 303.505,04 EUR) am 6.8.2003 akzeptierte und bereits beglichen hat. Mit Schreiben vom 20.8.2003 forderte die Klägerin den Beklagten zur Zahlung von weiteren 112.529,42 EUR bis zum 19.9.2003 auf. Einen Antrag auf Einleitung des Mahnverfahrens reichte die Klägerin dann am 21.12.2005 ein, der Mahnbescheid wurde am 10.1.2006 zugestellt.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, ihr stünden die Nachtragspositionen 21 bis 48 zusätzlich zu den Positionen des Leistungsverzeichnisses zu, weil es sich insoweit um Leistungen handele, die nicht im Langtext des Leistungsverzeichnisses benannt waren. Unstreitig mussten die von der Klägerin für das 1. OG hergestellten Fenster in einen Holzrahmen eingesetzt werden, da das Gebäude ein vorgesetztes Fensterband erhalten sollte. Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass die Ausführungspläne, aus denen unstreitig das vorgesetzte Fensterband ersichtlich war, nicht Gegenstand der Preisermittlungsgrundlage gewesen seien. Die Auslegung ergebe, dass die Klägerin lediglich beauftragt worden sei, in eine vom Bauherrn zur Verfügung gestellte Holzfassade Fenster einzubauen, nicht aber den hierfür nötigen Holzrahmen zu erstellen. Dadurch, dass das Architekturbüro zu den von der Klägerin erstellten Werkstattplänen mit Schreiben vom 17.10.2000 (Anlage K 18) mitgeteilt habe: "Wir beziehen uns auf ihr Fax vom 12.10.2000 zur Prüfung der Werkstattpläne Z 17, Fensterbänder OG. Die Pläne zu den Fenstern haben wir hinsichtlich der grundsätzlichen Übereinstimmung mit den funktionalen Anforderungen und unseren gestalterischen Absichten durchgesehen. Unsere Eintragungen wollen Sie bitte bei der weitere...