Leitsatz (amtlich)
1. Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs ist als Prozessvoraussetzung stets von Amts wegen zu untersuchen und zu entscheiden
2. Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbständige und vom Arbeitgeber in wesentlich geringerem Maße persönlich abhängig als Arbeitnehmer; an die Stelle der persönlichen Abhängigkeit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit.
3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren der Zulässigkeit des Rechtswegs ist nach einem Bruchteil des Hauptsachewertes in einer Größenordnung zwischen einem Drittel und einem Fünftel festzusetzen.
Normenkette
GVG § 17a; ArbGG § 5; ZPO § 3
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Beschluss vom 12.08.2010; Aktenzeichen 10 O 412/09) |
Tenor
1. Die sofortigen Beschwerden der Parteien gegen den Beschluss der 10. Zivilkammer des LG Mönchengladbach vom 12.8.2010 in der Fassung der Nichtabhilfeentscheidung vom 22.11.2010 werden zurückgewiesen.
2. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Parteien jeweils zur Hälfte, außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
3. Der Beschwerdewert wird auf 23.177,50 EUR (25/100 × 92.710 EUR) festgesetzt.
Gründe
A. Der Beklagte betreibt unter seinem Namen eine Steuerberaterkanzlei (künftig: Kanzlei). Die im Jahre 1961 geborene Klägerin, die einer sonstigen Erwerbstätigkeit mit festen Bezügen nicht nachgegangen ist, war für den Beklagten in dessen Kanzlei auf der Grundlage mündlich getroffener Absprachen, über deren Inhalt die Parteien streiten, seit dem Jahre 1993 entgeltlich tätig gewesen. Bis zum Ablauf des 16.4.2008 hatte sie die Funktion einer Buchführungshelferin. Danach war sie bis zu ihrem Ausscheiden am 27.10.2008, das wegen diverser Unstimmigkeiten (u.a. Bezahlung und Scheitern einer geplanten Sozietätsgründung) erfolgte, als zugelassene Steuerberaterin tätig, nachdem sie ihre seit dem Jahre 2005 betriebene Fachausbildung nach im Februar 2008 bestandener Prüfung beendet hatte.
Mit ihrer beim LG erhobenen Klage nimmt sie den Beklagten auf der Grundlage von Abrechnungen nach der Steuerberatergebührenordnung (StBGebV) für die Jahre 2006 und 2007 auf Zahlung monatlicher Vergütungen für das Jahr 2007 in einer Gesamthöhe von (97.210 EUR - 4.500 EUR) 92.710 EUR (inkl. gesetzl. MwSt., zzgl. Zinsen und vorgerichtl. Rechtsverfolgungskosten) in Anspruch; davon entfallen 2.650,80 EUR auf den Monat Januar 2007 (8.187,20 EUR - 1.036,40 EUR - [3 × 1.500 EUR]) und 90.059,20 EUR auf die Monate Februar bis Dezember 2007 (8.187,20 EUR/mtl.).
Die Klägerin hat behauptet: Sie habe seit dem Jahre 2006 im Monatsdurchschnitt 172 Stunden gearbeitet, die vereinbarungsgemäß mit 40 EUR/Std. (zzgl. MwSt.) zu vergüten seien. Die vom Beklagten in der Zeit von September 2006 bis September 2008 erbrachten Teilzahlungen deckten deshalb nur ihre Vergütungsansprüche des Jahres 2006 und den Anspruch für Januar 2007 nur i.H.v. 5.536,40 EUR (1.036,40 EUR + [3 × 1.500 EUR]), während ihre weiteren Vergütungsansprüche des Jahres 2007 offen seien.
Der Beklagte hat um Klageabweisung gebeten. Er hat behauptet: Die Klägerin habe seit dem Jahre 2006 im Monatsdurchschnitt nur 110 Stunden gearbeitet, die vereinbarungsgemäß mit 30 EUR/Std. (zzgl. MwSt.) abzurechnen seien. Alle berechtigten Vergütungsansprüche seien deshalb mit den Akontozahlungen erfüllt. Hilfsweise rechnet er mit Gegenansprüchen auf.
Beide Parteien haben - auf diesbezügliche Bedenken vom LG hingewiesen - übereinstimmend die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten sei gegeben. Die Klägerin sei nur bis Ende des Jahres 1996 als angestellte, seither und auch in der hier umstrittenen Zeit als freie und weisungsunabhängige Buchführungshelferin in der Kanzlei tätig gewesen. Sie sei auch keine arbeitnehmerähnliche Person, was sich bereits daraus ergebe, dass ihre Tätigkeit eher der einer freiberuflich tätigen Steuerberaterin als einer Steuerfachangestellten angenähert gewesen sei.
Das LG, auf dessen Beschluss wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das ArbG Mönchengladbach verwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der gelebten Praxis des Beschäftigungsverhältnisses sei zu entnehmen, dass die Klägerin zumindest als arbeitnehmerähnliche Person zu behandeln sei; sie sei nämlich, worauf es allein ankomme, von dem Beklagten wirtschaftlich abhängig gewesen.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde beider Parteien, die unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens unverändert der Auffassung sind, der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten sei zulässig. In diesem Zusammenhang trägt die Klägerin ergänzend vor, sie sei von dem Beklagten auch nicht wirtschaftlich abhängig gewesen. Neben den Vergütungen aus selbständiger Erwerbstätigkeit in der Kanzlei habe sie weitere Einkünfte in den Jahren 2006 und 2007 i.H.v. jeweils rund 30.330 EUR aus Vermietung und Verpachtung sowie aus der Verwaltung von Wohnungseigent...