Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen des Untergangs des Vergütungsanspruchs eines Sachverständigen, der von einer Partei mit Erfolg wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden ist.

 

Normenkette

JVEG §§ 4, 8a

 

Verfahrensgang

LG Mönchengladbach (Beschluss vom 07.06.2017; Aktenzeichen 6 O 527/15)

 

Tenor

Die Beschwerde des Sachverständigen gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 7. Juni 2017 wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Beschwerde des Sachverständigen gegen den im Tenor genannten Beschluss ist gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Vergütung auf 0 EUR festgesetzt.

Die Beklagte hat den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Mit Beschluss vom 7. April 2017 (Bl. 229 ff GA) hat das Landgericht das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt.

Der Vergütungsanspruch des Sachverständigen geht nicht allein dadurch unter, dass er mit Erfolg von einer Partei abgelehnt worden ist mit der Folge der Unverwertbarkeit des von ihm erstatteten Gutachtens. Der Sachverständige steht zwischen den Parteien mit ihren konkreten Interessen, er kann deshalb in Konflikt zu ihren Belangen geraten. Auch wenn ein Sachverständiger ernsthaft um objektive Sachlichkeit und Unvoreingenommenheit bemüht ist, vermag er nicht immer zu verhindern, bei einer Partei in den Verdacht der Parteilichkeit zu geraten. Angesichts der schwierigen Stellung des Sachverständigen ist es nur unter besonderen Voraussetzungen gerechtfertigt, ihm im Fall der erfolgreichen Ablehnung eine Vergütung zu versagen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (siehe u.a. I-10 W 48/16, Beschluss vom 31. März 2016) entfällt sein Vergütungsanspruch nur dann, wenn er seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit grob fahrlässig oder durch bewusste Pflichtwidrigkeit herbeigeführt hat.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Sachverständige hat seine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit grob fahrlässig herbeigeführt.

Grob fahrlässig ist ein Verhalten allgemein dann, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, wenn mithin schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste und sich geradezu aufdrängt (vgl. BGH NJW 1992, 3235, 3236).

Dies ist vorliegend der Fall, und zwar selbst dann, wenn es entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen für die Bearbeitung des Gutachterauftrages, der ausdrücklich nur die ärztliche Behandlung im Zeitraum vom 5.9. bis zum 26.9.2012 umfasste, unumgänglich gewesen sein sollte, auch die Behandlungen in der Zeit zwischen dem 27.8. und 31.8.2012 in den Blick zu nehmen. Denn der Inhalt des Gutachtens geht über das insoweit eventuell erforderliche Maß deutlich hinaus; dies rechtfertigt allein die Annahme, dass der Sachverständige seine Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit in besonders grob sorgfaltswidriger Weise verursacht hat. Denn in seinem Gutachten stellt der Sachverständige wiederholt und nachdrücklich in den Vordergrund, dass die Kyphoplastie am 27.8.2012 fehlerhaft durchgeführt worden ist, beschäftigt sich mit Einzelheiten der Operation vom 27.8.2012 und hebt diese teilweise sogar mit Ausrufungszeichen hervor (Gutachten Seite 5). Der eigentliche Gutachterauftrag, der sich nach dem unmissverständlich formulierten Beweisbeschluss nur auf den Behandlungszeitraum vom 5.9. bis zum 26.9.2012 erstreckte, tritt demgegenüber in den Ausführungen des Sachverständigen geradezu in den Hintergrund. Aus Sicht der ablehnenden Partei setzt sich der Sachverständige mit seinen Ausführungen im Gutachten quasi anstelle des Gerichts und verletzt seine Neutralitätspflicht, indem er Gericht und Parteien den aus seiner Sicht richtigen Weg der Entscheidungsfindung weist. Der Sachverständige gibt mit dem Gutachten deutlich seine Auffassung zu erkennen, dass er vom Gericht mit der falschen Fragestellung befasst worden ist und dass die Klage eigentlich die Operation vom 27.8.2012 zum Gegenstand haben müsste. Dass dies zu seiner Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit führen konnte, musste sich dem Sachverständigen aufdrängen. Dass der Sachverständige derart nahe liegende Überlegungen offenbar nicht angestellt hat, rechtfertigt die Annahme einer besonders schweren Sorgfaltspflichtverletzung, die im Ergebnis den vollständigen Verlust seiner Vergütung zur Folge hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird ergänzend auf die zutreffenden Gründen der landgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen.

II. Der Kostenausspruch folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI11575649

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