Tenor

1.Die Sache wird gemäß § 80a Abs. 3 OWiG dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil es geboten ist, das Urteil zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nachzuprüfen.

2.Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

3.Das Rechtsmittel wird verworfen, weil das Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen aufweist.

4.Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens fallen dem Betroffenen zur Last (§ 473 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 Abs. 1 OWiG).

 

Gründe

Das Amtsgericht Moers hat gegen den Betroffenen wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen §§ 18 Abs. 1, 59 Abs. 1 Nr. 1 StrWG NRW eine Geldbuße in Höhe von 200, - € verhängt. Hiergegen wendet er sich mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde zu, weil es zumindest zur Fortbildung des Rechts, aber auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist. Die Sache gibt Gelegenheit die Begriffe Gemeingebrauch und Sondernutzung i.S. des § 18 Abs. 1 StrWG zu definieren und Leitsätze dazu aufzustellen, wann die Anbringung von Werbezetteln an geparkte Fahrzeuge zu gewerbsmäßigen Zwecken im öffentlichen Straßenraum einer Sondernutzungserlaubnis bedarf. Es besteht Klärungsbedarf, weil es nach Kenntnis des Senats bisher an einer rechtlichen Einordnung als Sondernutzung oder Gemeingebrauch der Nutzung des öffentlichen Straßenraums fehlt.

Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil weist keinen durchgreifenden sachlich-rechtlichen Fehler zum Nachteil des Betroffenen auf.

Die Feststellungen des Amtsgericht tragen den Schuldspruch.

Nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 StrWG NRW handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine Straße über den Gemeingebrauch hinaus ohne Erlaubnis benutzt. Gemäß § 18 Abs. 1 StrWG NRW ist die Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus Sondernutzung, die der Erlaubnis der Straßenbaubehörde bedarf.

Das Amtsgericht hat die Verteilung von Handzetteln in Form von Visitenkarten mit Werbeaufdrucken zu gewerblichen Zwecken durch Befestigung der Karten an parkende Autos auf einem öffentlichen Parkplatz ohne Rechtsfehler als Sondernutzung angesehen und festgestellt, dass der Betroffene nicht über die erforderliche Erlaubnis verfügte.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme u.a. ausgeführt:

"Bisher ist in der Rechtsprechung z. B. entschieden worden, ob die Verteilung von Handzetteln, CDs und Büchern mit religiösem Inhalt in der (Beschluss des 1. Senats OLG Düsseldorf vom 8. April 1998 - 5 Ss (OWi) 394/97 - OWi 191/97 I), die Werbung mit abgestellten Kraftfahrzeugen (Beschluss des 1. Senats OLG Düsseldorf vom 19. Juni 1990 - 5 Ss (OWi) 233/90- OWi 103/90 I), der Verkauf von Getränkedosen nach einem Fußballspiel aus einem Einkaufswagen (Beschluss des 2. Senats OLG Düsseldorf vom 21. September 2004 IV - 2 Ss (OWi) 142/03 - OWi 65/03 II) und die Tätigkeit von sogenannten Bauchladenhausierern in Fußgängerzonen (OLG Köln vom 19. August 1991 - Ss 356/90 (B) - 184 B, zitiert nach juris) als Gemeingebrauch oder als Sondernutzung zu bewerten ist.

Gemeingebrauch i.S.d. § 14 Abs. 1 StrWG NRW liegt nur vor, wenn die Verkehrsfläche im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften zum Zwecke des Verkehrs benutzt wird. Diese Zweckbindung des Gemeingebrauchs ist diesem immanent. Kein Gemeingebrauch liegt vor, wenn die Straße nicht vorwiegend zu dem Verkehr benutzt wird, dem sie zu dienen bestimmt ist (§ 14 Abs. 3 StrWG NRW). Maßgeblich für die Abgrenzung des Gemeingebrauchs von der erlaubnispflichtigen Sondernutzung ist danach der Zweck der Straßenbenutzung. Verfolgt der Straßenbenutzer mit seinem Tun verschiedene Zwecke, so entscheidet der überwiegende Zweck darüber, ob noch Gemeingebrauch vorliegt oder eine Sondernutzung gegeben ist (vgl. Beschluss des 1. Senats, OLG Düsseldorf vom 19. Juni 1990 - 5 Ss (OWi) 233/90, OWi 103/90 I). Es können somit Benutzungsarten vom Gemeingebrauch ausgeschlossen sein, die sich äußerlich zwar als Teilnahme am Straßenverkehr darstellen, bei denen aber wegen des mit der Straßenbenutzung darüber hinaus verfolgten anderweitigen Zwecks die Merkmale der Straßenbenutzung zu Zwecken des Verkehrs nicht mehr überwiegen (vgl. BVerwG E 4, 342). Das bedeutet auch, dass bestimmte Straßen eine erweiterte Zweckbestimmung haben können, wie beispielsweise in Fußgängerzonen oder verkehrsberuhigten Bereichen.

Die Zweckbestimmung des öffentlichen Parkplatzes beinhaltet den Parkverkehr, d.h. das Aufsuchen des Parkplatzes mit dem Fahrzeug, das Abstellen und das spätere Wegfahren von dem Parkplatz sowie das Begehen von Fußgängern auf dem Parkplatz zum Verlassen oder Aufsuchen des abgestellten Fahrzeugs. Die Zweckbestimmung wird nicht durch den Umstand, dass der Platz zum Abstellen von Personenkraftwagen dient, in Richtung auf eine vermeintlich zulässige mittels Anbringens von Handzetteln erfolgende Werbung für einen Gebrauchtwagenhandel erweitert. Diese Einschätzung steht auch in Einklang mit der ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge