Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Ratingen vom 16. November 2009 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

 

Gründe

Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 468,75 € und ein dreimonatiges Fahrverbot festgesetzt. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die zuständige Einzelrichterin hat die Sache gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auf den Bußgeldsenat in seiner Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Die Rechtsbeschwerde ist auf Kosten des Betroffenen (§ 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet zu verwerfen, weil die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Beschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 und 3 StPO). Näherer Erörterung bedarf hierbei nur die - zulässig erhobene - Verfahrensrüge, mit der der Betroffene beanstandet, dass das Ergebnis der am Tattag durchgeführten Geschwindigkeitsmessung nicht hätte verwertet werden dürfen, weil das hierbei verwendete Video-Brücken-Abstands-Messverfahren (ViBrAM) ohne gesetzliche Grundlage in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingreife.

Die Rüge ist unbegründet.

Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils befuhr der Betroffene am 25. Januar 2009 um 11:59 Uhr mit einem Pkw die Bundesautobahn 3 in Fahrtrichtung Oberhausen bei Kilometer 91,210 im Bereich einer durch Verkehrszeichen angeordneten Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h. Er hielt hierbei eine Geschwindigkeit von 193 km/h ein, die mittels Weg-Zeit-Berechnung im ViBrAM-Verfahren ermittelt wurde. Bei diesem Verfahren wird zunächst der fließende Verkehr von Messbeamten der Polizei beobachtet und mit Hilfe einer an der Autobahnbrücke angebrachten "Übersichtskamera" aufgezeichnet, deren Bilder zwar eine Feststellung der Fahrzeugpositionen beim Überschreiten der für die Weg-Zeit-Berechnung erforderlichen Messlinien, nicht aber eine Identifizierung der jeweiligen Fahrzeugführer und -kennzeichen ermöglicht. Ergibt sich im Verlauf der Verkehrsbeobachtung der konkrete Verdacht einer Geschwindigkeitsüberschreitung oder einer Nichteinhaltung des gebotenen Mindestabstandes, so löst der Messbeamte manuell eine "Identitätskamera" aus, die derart eingestellt und positioniert ist, dass sie den verdächtigen Fahrzeugführer und das Fahrzeugkennzeichen in identifizierbarer Weise ablichtet.

Entsprechend ist ausweislich der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des angefochtenen Urteils auch im vorliegenden Fall verfahren worden. Durch die Aufnahmen der "Identitätskamera" konnte der Betroffene als Täter der Geschwindigkeitsüberschreitung ermittelt werden.

Entgegen der Ansicht des Betroffenen begegnet die Verwertung des Messergebnisses keinen Bedenken. Der mit dem festgestellten Messverfahren verbundene Eingriff in die Individualrechte des Betroffenen beruht auf gesetzmäßiger Grundlage und verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2009, 3293) stellt die zu Beweiszwecken angefertigte Videoaufzeichnung im Straßenverkehr einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeit aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar, sofern die Herstellung eines Personenbezuges (durch Identifizierung des Fahrzeugs sowie des Fahrers) mit Hilfe der Aufnahme sowohl beabsichtigt als auch technisch möglich ist. Dies trifft im vorliegenden Fall auf die Datenerfassung mit der "Identitätskamera" zu, durch deren Auslösung der Betroffene und das Kennzeichen des von ihm erfassten Fahrzeugs zwecks anschließender Täteridentifizierung in Nahaufnahme abgelichtet wurden.

Für die Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch den Einsatz der "Identitätskamera" ist in der - über § 46 Abs. 1 und 2 OWiG sinngemäß anwendbaren - Vorschrift des § 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO eine gesetzliche Grundlage vorhanden, die den verfassungsrechtlichen Geboten der Normenklarheit und Verhältnismäßigkeit (BVerfG NJW 2009, 3293, 3294 m.w.N.) entspricht und deren Voraussetzungen mit der hier festgestellten Anwendung des ViBrAM-Messsystems eingehalten wurden (ebenso OLG Bamberg NJW 2010, 100, 101 betr. Brückenabstandsmessverfahren VAMA; OLG Stuttgart, Beschluss vom 29. Januar 2010 [4 Ss 1525/09] betr. Brückenabstandsmessverfahren ViBrAM-BAMAS; OLG Jena, Beschluss vom 6. Januar 2010 [1 Ss 291/09] betr. Bildaufnahme nach maschineller Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 18. Januar 2010 [14 L 2/10] betr. Videomessverfahren JVC/Piller; Krumm NZV 2009, 620, 621; aA 3. Strafsenat des OLG Düsseldorf, Einzelrichterbeschluss vom 9. Februar 2010 [IV-3 RBs 8/10] betr. ViBrAM; Grunert DAR 2010, 28, 29).

§ 100h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO gestattet beim Verdacht eine...

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