Leitsatz (amtlich)

1. Das Prozessgericht darf ohne Prüfung der Erschöpfung des Nachlasses nach freiem Ermessen dem beklagten Erben auf seine Dürftigkeitseinrede die Haftungsbeschränkung vorbehalten oder die behauptete Erschöpfung des Nachlasses materiell prüfen, es sei denn, die Dürftigkeit des Nachlasses stünde bereits fest.

2. Aus einem Pflegevertrag schuldet der pflegebedürftige Schuldner nur dann die übliche Vergütung, wenn die Vertragspartner zur Höhe der entgeltlichen Dienstleistung nichts vereinbart haben.

3. Zur Anwendung der Pflegevertragsklausel

"Grundlage für die Berechnung ist die von der Pflegekasse festgelegte Pflegestufe und die mit den Pflegekassen vereinbarten Vergütungssätze in der jeweils gültigen Fassung"

auf einen beihilfeberechtigten, privat versicherten Schuldner.

4. Die (zivilrechtliche) Wirksamkeit einer Pflegevertragsänderung hängt nicht von der Einhaltung der Schriftform nach § 120 SGB XI ab.

5. Die Kosten des Rechtsstreits eines Nachlassgläubigers gegen den Erben sind von der beschränkten Erbenhaftung auszunehmen, wenn sie nicht durch die Prozessführung des Erblassers, sondern des Erben selbst veranlasst worden sind.

 

Normenkette

BGB §§ 1990, 612 Abs. 2; ZPO §§ 780, 91

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Urteil vom 17.04.2008; Aktenzeichen 3 O 479/07)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.4.2008 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Wuppertal - Einzelrichter - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die im Tenor des angefochtenen Urteils (Abs. 1) titulierte Hauptforderung nicht 9.236,24 EUR, sondern richtig 9.236,18 EUR lauten muss.

II. Die Kosten des Berufungsrechtszugs werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt. Die den Beklagten im angefochtenen Urteil gesamtschuldnerisch auferlegten Kosten des ersten Rechtszugs stehen, soweit die bis zum Ablauf des 5.12.2007 entstandenen sind, unter dem Vorbehalt der auf den Nachlass des am 6.12.2007 verstorbenen H. M. beschränkten Erbenhaftung.

III. Berufungsstreitwert: 9.236,18 EUR.

 

Gründe

I. Das Rechtsmittel hat, mit Ausnahme der im angefochtenen Urteil ausgesprochenen Kostenfolge, die teilweise einzuschränken ist, keinen Erfolg, weshalb es zurückzuweisen ist, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das LG hat die Beklagten im Ergebnis zu Recht zur Zahlung restlicher Vergütung (nebst Zinsen und vorgerichtlicher Kosten) für dem Erblasser in der Zeit von 01.4. bis 31.12.2006 erbrachter Pflegedienstleistungen unter dem Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung verurteilt. Soweit das LG antragsgemäß eine Forderung i.H.v. 9.236,24 EUR tituliert hat, statt in der rechnerisch richtigen Höhe von nur 9.236,18 EUR, ist dieser Fehler gem. § 319 Abs. 1 ZPO im vorliegenden Beschlussverfahren zu berichtigen, ebenso wie die teilweise zu korrigierende Kostenentscheidung. Die zum Grund der Forderung und im Übrigen zu ihrer Höhe vorgebrachten Berufungseinwände rechtfertigen keine den Beklagten günstigere Entscheidung. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird Bezug genommen auf den Hinweisbeschluss vom 23.7.2009. Dort hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt:

"1. Der besseren Übersichtlichkeit halber und auch zum Verständnis des (berichtigungsfähigen) Rechenfehlers werden zunächst die (aufgegliederten) Einzelforderungen sowie die (Zwischen-)Summen in der nachstehenden Tabelle zusammengefasst dargestellt:

Tabelle 1

I

II

III

IV

V

VI

VII

VIII

IX

Zeile

Rg-Nr.

Rg-Dat.

Leistg

Akte/Blatt

Honorar/EUR

Abzüge/EUR

1)

Differenz/EUR

Summen/EUR

01

4856

30.4.2006

BPfl

2)

31

561,12

325,59

235,53

02

4929

31.5.2006

BPfl

32

581,27

0,00

581,27

03

5005

30.6.2006

BPfl

34

387,77

0,00

387,77

04

5084

31.7.2006

BPfl

36

251,54

0,00

251,54

05

5175

31.8.2006

BPfl

38

559,58

0,00

559,58

06

Resthonorarsumme/Behandlungspflege 04/06-08/06

2.015,69

07

3853/PK

31.5.2006

GPfl

3)

43

2.337,40

99,20

2.238,20

08

3911/PK

30.6.2006

GPfl

45

1.537,72

65,60

4)

1.442,83

09

3965/PK

31.7.2006

GPfl

47

1.024,64

64,00

960,64

10

4032/PK

31.8.2006

GPfl

49

2.337,40

1.531,20

5)

682,20

11

4100/PK

30.9.2006

GPfl

51

2.262,00

1.528,00

734,00

12

4155/PK

31.10.2006

GPfl

53

2.337,40

1.531,20

806,20

13

4279/PK

31.12.2006

GPfl

55

2.238,20

1.432,00

6)

641,22

14

Honorarsumme/Grundpflege 05/06-12/06

7.505,29

15

Erstattung/GPfl 02-04/06 (89,60 EUR + 99.20 EUR + 96 EUR)

-284,80

16

Resthonorare/Grundpflege: 7.220.55 EUR, richtig aber nur

7.220,49

17

Gesamthonorar (= Klageforderung = LGU): 9.236,24 EUR, richtig aber nur

9.236,18

18

vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten

399,10

19

Gesamtforderung

9.635,28

Legende:

1) Zahlungen/Leistungsverzichte2)

BPfl = Behandlungspflege (analog § 37 SGB V)

3) GPfl = Grundpflege (analog §§ 14 Abs. 4 Nr. 1-3, 36 Abs. 1 S. 1 SGB XI)

4) Differenz (Zeile 08/Sp. VI, VII): 1.472,12 EUR, verlangt werden aber nur 1.442,83 EUR

5) Differenz (Zeile 10/Sp. VI, VII): 806,20 EUR, verlangt werden aber nur 682,20 EUR

6) Differenz (Zeile 13/Sp. VI, VII): 806,20 EUR, verlangt werden aber nur 641,22 EUR

2. Das LG hat

  • das Zustandekommen eines Pflegedienstvertrags auch hinsichtlich der abgerechneten Leistungen der Pflegestufe III beja...

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