Leitsatz (amtlich)
Bei einer Verurteilung wegen Überschreitung der durch Zeichen 274 angeordneten zulässigen Höchstgeschwindigkeit ist nicht in die Urteilsformel aufzunehmen, ob der Verstoß "innerhalb geschlossener Ortschaften" oder "außerhalb geschlossener Ortschaften" begangen wurde. Denn dieser Umstand gehört nicht zur rechtlichen Bezeichnung der Tat. Die Urteilsformel ist nicht der Ort, um für die Eintragung im Fahreignungsregister relevante Sachverhaltselemente zu beschreiben, die nicht zu den Voraussetzungen des verwirklichten Tatbestands zählen.
Normenkette
StPO § 260 Abs. 4 S. 1; OWiG § 71 Abs. 1, § 80a Abs. 3 S. 1; StVO § 3 Abs. 3, § 41 Abs. 1, § 49 Abs. 3 Nr. 4; StVO Anl. 2 Nr. 49
Tenor
- Der mitunterzeichnende Einzelrichter überträgt die Sache dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern.
- Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.
- Der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft auf Ergänzung der erstinstanzlichen Urteilsformel wird abgelehnt.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Duisburg hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 160 Euro verurteilt und gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h (Zeichen 274) bei einer Fahrt mit einem Pkw innerhalb geschlossener Ortschaften um 34 km/h überschritten (Tatzeit: 23. März 2019).
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde des Betroffenen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen, jedoch den Tenor des erstinstanzlichen Urteils dahin zu ergänzen, dass der Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften verurteilt wird.
II.
Der mitunterzeichnende Einzelrichter überträgt die Sache gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern, da es geboten ist, zu dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft auf Ergänzung der Urteilsformel -solche Anträge werden bei einem Schuldspruch wegen (fahrlässiger oder vorsätzlicher) Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in jüngster Zeit gehäuft gestellt - zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung grundsätzlich Stellung zu nehmen.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet im Sinne des § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO.
Der Erörterung bedarf lediglich der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft auf Ergänzung der Urteilsformel, dem nicht zu entsprechen ist.
1.
Gemäß § 71 Abs. 1 OWiG, § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO ist in dem Urteil die rechtliche Bezeichnung der Tat anzugeben. Auch in Bußgeldsachen ist die Tat in der Urteilsformel, sofern nicht gesetzliche Überschriften zu verwenden sind, mit Worten anschaulich und verständlich zu bezeichnen. Die angewendeten Vorschriften sind erst nach der Urteilsformel aufzuführen (vgl. OLG Düsseldorf [1. Senat für Bußgeldsachen] NZV 2000, 382; NZV 2001, 89, 90). Indes ist die Urteilsformel von allem freizuhalten, was nicht unmittelbar der Erfüllung ihrer Aufgaben, nämlich der Mitteilung von Schuldspruch und zu vollstreckendem Rechtsfolgenausspruch, dient (vgl. BGH NStZ 1983, 524; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 260 Rdn. 20).
Vorliegend hat der Betroffene ordnungswidrig gehandelt (§ 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO), indem er entgegen Nr. 49 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO die durch Zeichen 274 angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten hat. Diese Regelung wird jedenfalls bei einer Herabsetzung (hier: 30 km/h) der allgemein festgelegten Höchstgeschwindigkeit nicht durch § 3 Abs. 3 StVO verdrängt (vgl. BayObLG NZV 1999, 50; OLG Hamm VRS 97, 212, 213; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 3 StVO Rdn. 56). Für die Verwirklichung des auf die Missachtung des Vorschriftzeichens abstellenden Tatbestands ("Wer ein Fahrzeug führt, darf nicht schneller als mit der jeweils angegebenen Höchstgeschwindigkeit fahren.") und damit den Schuldspruch kommt es mangels eines entsprechenden Merkmals nicht darauf an, ob die durch Zeichen 274 angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung innerhalb oder außerhalb geschlossener Ortschaften zu beachten war.
Diese Unterscheidung gehört hier nicht zur rechtlichen Bezeichnung der Tat und hat lediglich Bedeutung für die Zumessung der Rechtsfolgen nach Maßgabe der Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbots (Tabelle 1, Anhang zu Nr. 11 BKat). Tatmodalitäten, die keinen eigenen Tatbestand beschreiben und lediglich die Zumessung der Rechtsfolgen betreffen, sind indes nicht in die Urteilsformel aufzunehmen (vgl. statt vieler: BGH NStZ 1999, 205; Ott in: Karlsruher Kommentar, StPO, 8. Aufl. 2019, § 260 Rdn. 31).
Abgesehen davon würde die Urteilsformel selbst mit der beantragten Ergänzung ("wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften") aus sich her...