Verfahrensgang
BKartA (Entscheidung vom 15.07.2011; Aktenzeichen VK 1 - 72/11) |
Tenor
Die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen zu 2 gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 15. Juli 2011 (VK 1-72/11) werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin werden je zur Hälfte dem Antragsgegner und der Beigeladenen zu 2 auferlegt.
Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 13.000 Euro
Gründe
I. Der Antragsgegner schrieb durch EU-weite Bekanntmachung vom Februar 2011 den Abschluss von Rahmenvereinbarungen über seine (passive) Prozessvertretung insbesondere auf dem Gebiet von Streitigkeiten nach dem SGB II vor dem Sozialgericht durch Rechtsanwälte im offenen Verfahren aus. Die Vereinbarung soll mit zwei Beteiligten abgeschlossen werden und eine Laufzeit von 21 Monaten haben. Betroffen sind etwa 1.400 Klageverfahren, die zu ca. 90 % bereits anhängig sind, und in denen mindestens bereits die Klageerwiderung gefertigt worden ist. Der Größenordnung wegen wurde eine Aufteilung in zwei Lose vorgenommen. Angebote sollten nur für jeweils ein Los eingereicht werden können.
In der Vergabebekanntmachung (und genauso in den Vergabeunterlagen, genannt: Allgemeine Information zur Ausführung des Auftrags) war angegeben, dass dem Antragsgegner eine Verpflichtung, dem Auftragnehmer die Vertretung in einer bestimmten Anzahl von Verfahren zu übertragen, nicht obliegen sollte. Im Fall einer Beauftragung sollte in jedem Einzelfall eine rechtliche Neubewertung der Rechtsverteidigung erfolgen und einschließlich eines Konzepts über die Aufgabenerfüllung ein schriftlicher Entscheidungsvorschlag unterbreitet werden. Die Leistungen sollten durch einen Pauschalpreis je Verfahren (eine Fallpauschale) vergütet werden, der sich an den einschlägigen Betragsrahmengebühren des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) orientieren sollte. Zuschlagskriterien sollten sein:
der Angebotspreis zu 70 %,
die Frist für die Erstellung eines Entscheidungsvorschlags (exemplarisch bei 100 Verfahren) zu 30 %.
Den Vergabeunterlagen war ein Vertragsentwurf beigefügt.
Die Antragstellerin bewarb sich um den Auftrag für ein Los. Ihr Angebot lag preislich erheblich unter den Offerten der sich getrennt mitbewerbenden Beigeladenen. Aufgrund dessen forderte der Antragsgegner die Antragstellerin zu einer Erläuterung ihrer Kalkulation auf, welche diese gewährte. Durch Bieterinformation vom 4.5.2011 schloss der Antragsgegner das Angebot der Antragstellerin wegen eines offenbaren Missverhältnisses zwischen Preis und Leistung von der Wertung aus und teilte zugleich mit, dass der Zuschlag an die Beigeladenen ergehen solle. Dies rügte die Antragstellerin unter dem 9.5.2011 erfolglos, worauf sie unter dem 27.5.2011 einen Nachprüfungsantrag stellte.
Die Antragstellerin hält den Ausschluss ihres Angebots für ungerechtfertigt und machte Ausführungen zu ihrer Kalkulation und Leistungsfähigkeit. Sie beantragte Untersagung eines Zuschlags auf die Angebote der Beigeladenen und eine Wiederholung der Wertung unter Einbeziehung ihres Angebots.
Der Antragsgegner trat dem Nachprüfungsantrag entgegen und verteidigte die Ausschlussentscheidung. Einen Streitpunkt im Verfahren bildete, ob die in Rede stehenden Leistungen - abhängig von der eindeutigen Beschreibbarkeit der Lösung der Aufgabe - nach VOF oder VOL/A auszuschreiben waren.
Die Beigeladenen beteiligten sich nicht am erstinstanzlichen Verfahren.
Die Vergabekammer gab dem Nachprüfungsantrag nach Verlängerung der Entscheidungsfrist statt und wies den Antragsgegner an, die Wertung der Angebote unter Einschluss des Angebots der Antragstellerin zu wiederholen. Die Vergabekammer wendete auf die Ausschreibung die VOL/A an. Sie erachtete die Lösung der Aufgabe für vorab eindeutig und erschöpfend beschreibbar und tatsächlich beschrieben. Im Streitpunkt "Missverhältnis zwischen Preis und Leistung" hielt die Vergabekammer ein unangemessen niedriges Preisangebot der Antragstellerin für nicht feststellbar. Auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses wird verwiesen (1. VK des Bundes, Beschl. v. 15.7.2011 - VK 1-72/11).
Dagegen haben sowohl der Antragsgegner als auch die Beigeladene sofortige Beschwerde erhoben.
Der Antragsgegner hält das Vergaberechtsregime nicht für anwendbar und demnach den Nachprüfungsantrag für unstatthaft, weil die Ausschreibung nachrangige Dienstleistungen betreffe. Davon abgesehen habe der Nachprüfungsantrag in Ermangelung eines beachtlichen Grundes für die Verlängerung der Entscheidungsfrist durch den Vorsitzenden der Vergabekammer richtigerweise als abgelehnt zu gelten. In der Sache, so trägt der Antragsgegner vor, unterliege die Ausschreibung der VOF. Auch sei das Angebot der Antragstellerin als ungewöhnlich niedrig und von der Mittelgebühr abweichend von der Wertung auszuschließen. Insoweit wiederholt und ergänzt der Antragsgegner sein erstinstanzliches Vorbringen.
Letztgenanntem Beschwerdeangriff schließt sich die Beigeladene...