Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen einer wirksamen Beschränkung des Pflichtteilsrechts und Anordnung der Testamentsvollstreckung wegen Überschuldung und/oder Verschwendung "in guter Absicht" in einem gemeinschaftlichen Testament bzw. Erbvertrag, insbesondere den Anforderungen an die hinreichende Darstellung von Kernsachverhalten.

 

Normenkette

BGB § 2338

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Beschluss vom 29.08.2008; Aktenzeichen 19 T 529/08)

AG Neuss (Aktenzeichen 134 VI 173/06)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss und die zugrunde liegende Entscheidung des AG vom 5.8.2007 werden aufgehoben.

Wert: 450.000 EUR

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Kinder der verstorbenen Eheleute Dr. F. W. W. (2000) und E. W., geborene Schönfeld (2005).

Die Beteiligte zu 2 ist im gemeinschaftlichen Testament vom 21.8.1991, bestätigt durch den notariellen Erbvertrag vom 19.6.1997, als Alleinerbin und Testamentsvollstreckerin eingesetzt worden; das Pflichtteilsrecht des Beteiligten zu 1 wurde wegen Überschuldung und Verschwendung "in guter Absicht gem. § 2338 BGB" beschränkt.

Das AG hat am 28.8.2006 angekündigt, der Beteiligten zu 2 ein Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen, weil die Testamentsanfechtung des Beteiligten zu 1 nicht durchgreife.

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das LG am 27.4.2007 den angefochtenen Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung zurückverwiesen, da das AG sich nicht mit der vorgreiflichen Frage befasst habe, ob die Anordnung der Pflichtteilsbeschränkung und Testamentsvollstreckung gem. § 2338 BGB in dem Testament vom 21.8.1991 wirksam ist.

Das AG hat am 5.8.2007 erneut seine Absicht angekündigt, der Beteiligten zu 2 ein Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen.

Hiergegen hat der Beteiligte zu 1 abermals Beschwerde eingelegt, die das LG mit Beschluss vom 29.8.2008 zurückgewiesen hat.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1 mit der weiteren Beschwerde, mit der er im Wesentlichen geltend macht:

Es sei tunlich das Verfahren auszusetzen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens W../. W. 6 O 224/08 LG Düsseldorf, in dem er, der Beteiligte zu 1, im Wege der Stufenklage einen Anspruch auf Vorlage eines vollständigen notariellen Nachlassverzeichnisses nebst Wertermittlung der Nachlassgegenstände verfolge, verbunden mit einem unbezifferten Zahlungsanspruch hinsichtlich seines Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruchs.

Entgegen der Auffassung des LG sei wegen § 2336 Abs. 2 BGB für die Beurteilung der Wirksamkeit der Pflichtteilsentziehung und - beschränkung allein der im Testament angegebene Kernsachverhalt maßgeblich.

§ 2338 BGB sei verfassungswidrig; sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt.

Entgegen der Auffassung des LG liege eine Verschwendungssucht im Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht vor; die Entscheidung des LG lasse nicht erkennen, aufgrund welcher Vorwürfe wegen welchen Merkmals des § 2338 BGB ein Pflichtteilsbeschränkungsgrund angenommen wird; das LG habe das Merkmal der Verschwendung verkannt, deren Voraussetzungen zu Unrecht angenommen und überdies eine erhebliche Erwerbsgefährdung - auch mit Blick auf den Wert des Erb- und Pflichtteils - nicht bzw. rechtsfehlerhaft festgestellt.

Die Beteiligte zu 2 bittet um Zurückweisung der weiteren Beschwerde.

Sie macht geltend, § 2338 BGB solle nicht den Pflichtteil entziehen, sondern bedeutete im Gegenteil die Zuwendung des Pflichtteils, die mit fürsorglichen Maßnahmen für den Beteiligten zu 1 als Abkömmling und seine Familie verbunden sei; es bestehe kein Anhalt für eine Verfassungswidrigkeit der Norm. Eine Überraschungsentscheidung des LG sei nicht gegeben. In der Einsetzung der Beteiligten zu 2 als Testamentsvollstreckerin sei mit Blick auf ihre Position als Alleinerbin ein rechtlicher Fehler nicht zu erblicken. Die Aussetzung dieses Verfahrens sei nicht tunlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akten verwiesen.

II. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist zulässig, § 27 FGG. Sie hat auch in der Sache Erfolg, denn die Entscheidung des Beschwerdegerichtes beruht auf einer Rechtsverletzung, § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG.

1. Das LG hat im Wesentlichen ausgeführt, das AG habe zu Recht mit dem angefochtenen Beschluss seine Absicht dargetan, das von der Beteiligten zu 2 beantragte Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen.

Die Voraussetzungen der Pflichtteilsbeschränkung und Anordnung der Testamentsvollstreckung gem. § 2338 Abs. 1 BGB seien gegeben.

Die Gründe für die Pflichtteilsbeschränkung nach § 2338 BGB müssten sowohl im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments als auch im Zeitpunkt des Erbfalles gegeben und - zumindest in Form eines nachvollziehbaren Kernsachverhaltes - in der letztwilligen Verfügung aufgeführt sein.

Diesen Anforderungen genüge das Testament vom 21.8.1991. Die Erblasser hätten insgesamt 18 Einzelsachverhalte aufgeführt, die in ihrer Gesamtschau den Schluss zuließen, dass der Beschwerdeführer unter einer Verschwendungssucht...

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