Leitsatz (amtlich)
1. Die Formulierung des Erblassers in einem handschriftlichen Testament: "Ich ... setze meine Ehefrau ... als Alleinerbin ein. Sie bekommt lebenslanges Wohnrecht in meinem Haus ......... 32 in M. Mein Sohn ... soll seinen Erbanteil erst im Alter von 30 Jahren ausgehändigt bekommen.", lässt nicht eindeutig erkennen, welche Rechtsstellung der Erblasser den Beteiligten jeweils einräumen wollte und bedarf daher der Auslegung (hier unter umfassender Berücksichtigung aller sonstigen Umstände im Sinne einer dem Willen des Erblassers entsprechenden Anordnung einer Vor- und Nacherbschaft, wobei die Ehefrau zunächst als Vorerbin auf den gesamten Nachlass eingesetzt sein und zu ihren Gunsten ein Wohnrecht an dem Haus bestehen sollte und der Sohn mit Erreichen des Alters von 30 Jahren als Nacherbe auf einen Bruchteil des Nachlasses, nämlich den auf ihn als Abkömmling entfallenden gesetzlichen Erbanteil, eingesetzt sein sollte).
2. Bei der auf der Grundlage von § 81 Abs. 1 FamFG nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung in Erbscheinsverfahren sind sämtliche in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls heranzuziehen, neben dem Maß des Obsiegens und Unterliegens etwa die Art der Verfahrensführung und die verschuldete oder unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse (hier im Besonderen die familiäre und persönliche Nähe zwischen Erblasser und Verfahrensbeteiligten - Ehefrau und Sohn des Erblassers -, die es verbietet, das Verhältnis der Beteiligten durch die Anordnung der Pflicht zur Erstattung außergerichtlicher Kosten des jeweils anderen zusätzlich zu belasten).
Normenkette
BGB §§ 133, 1924 Abs. 1; FamFG § 81 Abs. 1; GNotKG § 22 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Neuss (Aktenzeichen 131 VI 443/17) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts Neuss - Nachlassgericht - vom 5. November 2018 geändert.
Der Antrag der Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins wird zurückgewiesen.
Von den erstinstanzlichen Kosten werden die Kosten der Beweisaufnahme den Beteiligten zu 1 und 2 jeweils zur Hälfte auferlegt. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden den Beteiligten zu 1 und 2 jeweils zur Hälfte auferlegt. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.
Geschäftswert: 150.000,- EUR
Gründe
I. Der Erblasser war in erster Ehe mit der Mutter des Beteiligten zu 2 verheiratet. Anfang des Jahres 2005 wurde die Ehe geschieden; im Herbst 2005 verstarb die Mutter des Beteiligten zu 2. Der Erblasser und die Mutter des Beteiligten zu 2 waren Miteigentümer des Grundstücks ... 32 in M. Mit Genehmigung des Familiengerichts erklärte der Erblasser für den Beteiligten zu 2 die Ausschlagung des Erbes nach der Mutter.
Am 15. Januar 2015 errichtete der Erblasser ein erstes handschriftliches Testament, mit welchem er die Beteiligte zu 1, damals seine Lebensgefährtin, als Alleinerbin für das Hausgrundstück in M. sowie für sämtliche, auf seinen Namen zugelassenen Fahrzeuge einsetze. Daneben gehörten zum Vermögen des Erblassers noch Kontoguthaben in Höhe von ca. 16.000,- EUR sowie der aus der Veräußerung des vom Erblasser zuvor betriebenen Tätowierstudios erzielte Kaufpreis in Höhe von 80.000,- EUR.
Ein weiteres handschriftliches Testament errichtete der Erblasser am 25. Januar 2017, in welchem er zugunsten der Beteiligten zu 1, mit der er zwischenzeitlich die Ehe geschlossen hatte, und in Bezug auf den Beteiligten zu 2 folgende Verfügungen traf:
"Ich ... setze meine Ehefrau ... als Alleinerbin ein. Sie bekommt lebenslanges Wohnrecht in meinem Haus ... 32 in M. Mein Sohn ... soll seinen Erbanteil erst im Alter von 30 Jahren ausgehändigt bekommen."
Mit notarieller Urkunde vom 1. Februar 2018 hat die Beteiligte zu 1, gestützt auf das Testament vom 25. Januar 2017, welches nach ihrer Auffassung der Klarstellung des Testaments vom 15. Januar 2015 diene, die Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbescheins beantragt. Sie hat dazu die Auffassung vertreten, der Erblasser habe mit der in Bezug auf den Beteiligten zu 2 getroffenen Verfügung den Pflichtteil gemeint; die Auszahlung habe der Erblasser in guter Absicht auf einen Zeitpunkt verschieben wollen, zu dem der Beteiligte zu 2 vernünftig mit dem Geld umgehen könne. Weiter hat sie zur Begründung ihrer Auffassung zu einer Auslegung, nach der der Beteiligte zu 2 nur seinen Pflichtteil erhalten solle, vorgebracht, zwei Tage vor der Errichtung des Testaments vom 25. Januar 2017 sei es zu einer per Mail geführten Auseinandersetzung zwischen dem Erblasser und dem Beteiligten zu 2 gekommen und der Erblasser habe dem Beteiligten zu 2 Konsequenzen angedroht.
Der Beteiligte zu 2 ist dem Antrag entgegen getreten. Das Testament vom 25. Januar 2017 sei nicht vom Erblasser geschrieben und unterschrieben worden. Hilfsweise hat er geltend gemacht, sei es dahin auszulegen, dass ihm der hälftige Anteil am Nach...