Entscheidungsstichwort (Thema)

Verstoß gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz

 

Verfahrensgang

AG Krefeld (Beschluss vom 19.02.1998; Aktenzeichen 9 Js 726/97)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Der Betroffene wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

 

Tatbestand

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 1 Abs. 1 Satz 1 und 3 AEntG (Arbeitnehmer-Entsendegesetz) i. V. m. §§ 5 Abs. 1 Nr. 1 AEntG zu einer Geldbuße von 1.000,00 DM verurteilt.

Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, Das Rechtsmittel ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zum Freispruch des Betroffenen.

I.

1.

Das Amtsgericht hat festgestellt, der Betroffene sei seit dem Jahre 1995 Inhaber eines Fugunternehmens mit Sitz in Nettetal. Bei einer Kontrolle der Baustelle … in … am 27. Mai 1997 durch Mitarbeiter des Hauptzollamtes Krefeld seien dort drei Mitarbeiter des Betroffenen angetroffen worden, die mit Fugarbeiten beschäftigt gewesen seien. Darunter habe sich der … befunden, der von dem Betroffenen für die Dauer von drei Monaten zur Probe angestellt worden sei und einen Bruttomonatslohn von 2.200,00 DM erhalten habe, der unabhängig von der tatsächlichen Monatsarbeitsstundenzahl gewesen sei. Im Monat April 1997 habe … 176 Stunden gearbeitet, so daß sich ein Stundenlohn von 12,50 DM ergebe. Ein gleicher Stundenlohn errechne sich bei 22 Arbeitstagen mit je 8 Arbeitsstunden auch für Mai 1997.

2.

Das Amtsgericht vertritt die Ansicht, der Betroffene habe seine Verpflichtung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 und 3 AEntG, seinem Arbeitnehmer … den gesetzlich vorgeschriebenen Mindeststundenlohn von 17,00 DM zu zahlen, verletzt. Zwar habe der Betroffene seinen Sitz nicht entsprechend § 1 Abs. 1 AEntG im Ausland, jedoch sei er nach § 1 Abs. 1 Satz 4 AEntG auch als inländischer Arbeitgeber Adressat der Rechtsnormen des AEntG und habe deshalb die Voraussetzungen einer Ordnungswidrigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AEntG erfüllt.

Diese Ansicht ist rechtfehlerhaft.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Durch Tarifvertrag vom 2. September 1996 zur Regelung eines Mindestlohnes im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TV Mindestlohn) ist für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und für die Betriebe, die unter den betrieblichen Geltungsbereich des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe fallen, der Mindestlohn im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AEntG im Gebiet der alten Bundesländer auf 17,00 DM festgesetzt worden.

Diesen Tarifvertrag hat der Bundesarbeitsminister am 12. November 1996 für allgemeinverbindlich erklärt (Banz Nr. 215 v. 16. November 1996, S. 12102).

Damit war der Tarifvertrag vom 2. September 1996 nach § 4 des Tarifvertragsgesetzes auch auf den zwischen dem Betroffenen und seinem Arbeitnehmer … geschlossenen Arbeitsvertrag zwingend anzuwenden. Der Betroffene war zur Zahlung des darin vorgesehenen Mindestlohnes verpflichtet, ohne daß es einer Anwendung des AEntG bedurfte.

2.

Der Verstoß der inländischen Arbeitsvertragsparteien gegen allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge und § 4 des Tarifvertragsgesetzes stellt aber keine Ordnungswidrigkeit dar. Insbesondere sieht auch das Tarifvertragsgesetz hierfür kein Bußgeld vor. Eine Ordnungswidrigkeit liegt entgegen der Meinung des Amtsgerichts auch nicht nach § 5 AEntG wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Satz 3 und 4 AEntG vor, denn das AEntG ist auf Arbeitsverträge, die im Inland ansässige Arbeitgeber mit ihren im Inland beschäftigten Arbeitnehmern abgeschlossen haben, in der Kegel nicht anwendbar.

Ziel des AEntG ist die Anwendbarkeit in Deutschland zwingender Arbeitsbedingungen im Bereich der Bauwirtschaft auf grenzüberschreitende Entsendefälle. Dadurch sollen gespaltene Arbeitsmärkte und die aus ihnen resultierenden sozialen Spannungen vermieden werden. Zur Erreichung dieses Zieles werden nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG bestimmte, von deutschen Arbeitgebern zwingend einzuhaltende Arbeitsbedingungen auf ausländische Arbeitgeber und ihre im Inland beschäftigten Arbeitnehmer erstreckt und gesetzlich für zwingend erklärt (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 25. September 1995 – BT-Drs. 13/2414).

Das gilt, wie § 1 Abs. 1 Satz 1 AEntG bestimmt, nur, soweit nicht ohnehin deutsches Recht für das Arbeitsverhältnis maßgebend ist. Schon danach ist das AEntG grundsätzlich nicht anwendbar auf alle Arbeitsverhältnisse zwischen in Deutschland ansässigen Arbeitgebern, auch wenn es sich um Ausländer handelt, und ihren hier tätigen Arbeitnehmern.

Wenn es in § 1 Abs. 1 Satz 4 AEntG heißt, § 1 Abs. 1 Satz 3 AEntG, wonach ein Arbeitgeber im Sinne des Satzes 1 (also ein im Ausland ansässiger Arbeitgeber) verpflichtet ist, seinem Arbeitnehmer im Sinne des Satzes 1 die in den Sätzen 1 und 2 vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen zu gewähren, gelte auch für einen unter den Geltungsbereich eines Tarifvertrages nach Satz...

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