Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungswidrigkeit nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz
Verfahrensgang
AG Dessau (Beschluss vom 27.04.1998; Aktenzeichen OWi 142/98) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dessau vom 27. April 1998 wird die Sache gemäß § 121 Abs. 2 GVG i.V.m. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:
Gilt das „Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen” (Arbeitnehmer-Entsendegesetz-AEntG) nach § 1 Abs. 1 S. 4 AEntG a. F. auch für einen unter den Geltungsbereich eines entsprechenden Tarifvertrages fallenden Arbeitgeber mit Sitz im Inland?
Gründe
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Nichtzahlung des Mindestlohnes-Verstoss gegen § 1 Abs. 1 AEntG a. F. zu einer Geldbuße von 10.000,00 DM verurteilt. Mit der Rechtsbeschwerde wird die Verletzung materiellen Rechts gerügt.
Nach den Urteilsfeststellungen hat der Betroffene als Geschäftsführer der B. GmbH, mit Geschäftssitz in D., in dem Zeitraum vom 24. Februar 1997 bis 30. September 1997 an sechs deutsche Arbeitnehmer, die mit Tätigkeiten im Baugewerbe betraut waren, nicht den in den neuen Bundesländern vorgesehenen Bruttomindestlohn in Höhe von 15,64 DM pro Stunde gezahlt. Die gezahlten Stundenlöhne bewegten sich zwischen 13,30 DM und 15,30 DM.
Da nach Auffassung des Amtsgerichts auch der Betroffene als inländischer Arbeitgeber Adressat der Rechtsnormen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes ist, hat es gegen ihn nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 4 AEntG a. F. ein Bußgeld festgesetzt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, durch Beschluss gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 4 StPO auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen das Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.
Daran sieht sich der Senat durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 03.07.1998 (NStZ-RR 1998, 319) gehindert, wonach auf Arbeitsverträge, die im Inland ansässige Arbeitgeber mit ihren im Inland tätigen Arbeitnehmern abgeschlossen haben, das Arbeitnehmer-Entsendegesetz grundsätzlich nicht anwendbar ist. In diesem Beschluss heißt es:
„Ziel des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes ist die Anwendbarkeit in Deutschland zwingender Arbeitsbedingungen im Bereich der Bauwirtschaft auf grenzüberschreitende Entsendefälle. Dadurch sollen gespaltene Arbeitsmärkte und die aus ihnen resultierenden sozialen Spannungen vermieden werden. Zur Erreichung dieses Zieles werden nach § 1 I 1 AEntG bestimmte, von deutschen Arbeitgebern zwingend einzuhaltende Arbeitsbedingungen auf ausländische Arbeitgeber und ihre im Inland beschäftigten Arbeitnehmer erstreckt und gesetzlich für zwingend erklärt (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 25.09.1995 BT-Dr 13/2414). Das gilt, wie § 1 I 1 AEntG bestimmt, nur, soweit nicht ohnehin deutsches Recht für das Arbeitsverhältnis maßgebend ist. Schon danach ist das Arbeitnehmer-Entsendegesetz grundsätzlich nicht anwendbar auf alle Arbeitsverhältnisse zwischen in Deutschland ansässigen Arbeitgebern, auch wenn es sich um Ausländer handelt, und ihren hier tätigen Arbeitnehmern. Wenn es in § 1 I 4 AEntG heißt, § 1 I 3 AEntG, wonach ein Arbeitgeber im Sinne des Satzes 1 (also ein im Ausland ansässiger Arbeitgeber) verpflichtet ist, seinem Arbeitnehmer im Sinne des Satzes 1 die in den Sätzen 1 und 2 vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen zu gewähren, gelte auch für einen unter den Geltungsbereich eines Tarifvertrages nach Satz 1 fallenden Arbeitgeber mit Sitz im Inland, so gilt auch das mit der Einschränkung des Satzes 1 nur, soweit nicht ohnehin deutsches Recht für das Arbeitsverhältnis maßgeblich ist. §(1) I 4 AEntG erstreckt den Geltungsbereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes deshalb nicht – wie das AG annimmt – über das Ziel und die Notwendigkeit des Gesetzes hinaus auf alle von inländischen Arbeitgebern im Inland abgeschlossenen Arbeitsverhältnisse mit inländischen Arbeitnehmern, die ohnehin zum weitaus größten Teil den für allgemeingültig erklärten Tarifverträgen unterliegen. Da in der Bundesrepublik Deutschland Tarifverträge auch regional, d.h. für einzelne oder mehrere Länder, abgeschlossen und für deren Gebiete allgemeinverbindlich erklärt werden, war die Erstreckung auf Arbeitgeber mit Sitz im Inland, aber außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Tarifvertrages auszudehnen.”
Würde der Senat der Rechtsauffassung des Oberlandesgericht Düsseldorf folgen, müsste er das angefochtene Urteil aufheben und den Betroffenen freisprechen.
Der Senat vertritt aber die Ansicht, dass die Vorschriften des Arbeitnehmer-Entsendegesetz a. F. auch auf zwischen inländischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern abgeschlossene Arbeitsverträge anzuwenden ist, und ein Verstoss gegen das Mindestlohngebot eine Ordnungswidrigkeit nach § 5 AEntG darstellt.
Der hier entscheidende Wortlaut des § 1 Abs. 1 S. 3 und 4 AE...