Leitsatz (amtlich)
1. Zur Unwirksamkeit eines notariellen Testaments der Erblasserin wegen der Bindung an ein zuvor gemeinsam mit ihrem vorverstorbenen Ehemann errichtetes Testament, dessen Auslegung mit Blick auf eine Pflichteilsstrafklausel sowie weitere Umstände eine Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen Kinder ergibt.
2. Erachtet das Nachlassgericht die zur Begründung eines Erbscheinsantrages erforderlichen Tatsachen für festgestellt und erklärt es des Weiteren in seiner Entscheidung, es beabsichtige, einen dem entsprechenden Erbschein zu erteilen und den Antrag eines anderen Beteiligten zurückzuweisen, so stellt sich die Absichtserklärung als eine unzulässige und daher bereits aus Gründen der Klarstellung aufzuhebende Zwischenentscheidung dar.
3. Im Geltungsbereich des FamFG beginnt der Fristlauf für ein Rechtsmittel mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung an den Verfahrensbevollmächtigten des Beschwerdeführers; eine (vorangegangene) Zustellung an den Beteiligten selbst ist unwirksam und daher ohne Einfluss auf den Fristbeginn.
4. Bei einer gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG nach billigem Ermessen zu treffenden Kostenentscheidung kann es sachgerecht sein, dass die Gerichtskosten des Verfahrens vor dem Nachlassgericht - sofern nicht ein Regelbeispiel gemäß § 81 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 FamFG oder ein diesen Fällen gleichstehender Sachverhalt vorliegt - demjenigen zur Last fallen, der den erfolglosen Erbscheinsantrag gestellt hat, wobei die insoweit gebotene wertende Betrachtung dazu führt, auch den Beteiligten als Antragsteller zu behandeln, der zwar das Gesuch nicht selbst gestellt, sich im Verfahren indes den Standpunkt des Antragstellers in vollem Umfang zu eigen gemacht hat.
Ist streitentscheidend die Auslegung eines in seiner Fassung problematischen privatschriftlichen Testaments (hier vertraten nicht nur die Beteiligten, sondern auch die Nachlassgerichte unterschiedliche Standpunkte) und lagen der Streitigkeit nicht zuletzt persönliche Spannungen zwischen Geschwistern zugrunde, so rechtfertigt dies den Ausschluss von Erstattungsansprüchen.
Normenkette
BGB §§ 2269, 2270 Abs. 1-3, § 2271 Abs. 2; FamFG § 15 Abs. 2 S. 1, § 41 Abs. 1 S. 2, §§ 63, 81 Abs. 1 S. 1, § 352e Abs. 2 S. 1; ZPO § 172 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Wesel (Aktenzeichen 16 VI 426/16) |
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird geändert.
Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 3. vom 4. August 2016 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten zu 2.und 3. haben die Gerichtskosten der ersten Instanz je zur Hälfte zu tragen. Eine Erstattung notwendig entstandener außergerichtlicher Kosten findet für keinen Rechtszug statt.
Geschäftswert: bis 155.000 EUR.
Gründe
I. Die Erblasserin war verheiratet, ihr Ehemann ist am 20. Januar 1975 vorverstorben; das Ehepaar hatte drei gemeinsame Kinder, die hier Beteiligten.
Die Eheleute setzten unter dem 21. Juli 1974 ein - ersichtlich von dem Ehemann geschriebenes - eigenhändiges gemeinschaftliches Testament auf, wegen dessen umfangreichen Inhalts im einzelnen auf die Testamentsakte verwiesen wird. Unter anderem enthielt dieses Testament die gegenseitige Erbeinsetzung der Eheleute, eine Pflichtteilsstrafklausel sowie eingehende Regelungen für den Fall eines "plötzlichen" Todes beider Ehegatten.
Mit notariell beurkundetem Testament vom 21. Mai 2010 bestimmte die Erblasserin, sie setze zu ihren Erben je hälftig den Beteiligten zu 2. und die Beteiligte zu 3. ein; der Beteiligten zu 1. wurde ihr Pflichtteil als Vermächtnis zugewandt, in Anrechnung hierauf der Schmuck der Erblasserin.
Gestützt auf dieses Testament, hat die Beteiligte zu 3. mit am 4. August 2016 notariell beurkundeter Erklärung die Erteilung eines sie und ihren Bruder, den Beteiligten zu 2., als Miterben zu je 1/2 ausweisenden Erbscheins beantragt. Sie ist der Auffassung, im gemeinschaftlichen Testament sei eine Schlusserbeneinsetzung nicht erfolgt. Dem ist die Beteiligte zu 1. entgegengetreten und hat ihrerseits schriftsätzlich die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins für alle drei Beteiligten zu je 1/3 begehrt.
Durch die angefochtene Entscheidung hat das Nachlassgericht die zur Begründung des Antrages erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und des weiteren unter anderem erklärt, es beabsichtige, einen dem entsprechenden Erbschein zu erteilen und den Antrag der Beteiligten zu 1. zurückzuweisen.
Gegen diesen ihren (damaligen) Verfahrensbevollmächtigten am 8. Februar 2017 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 1. mit ihrem am 8. März 2017 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, mit dem sie ihr bisheriges Vorbringen vertieft und näher darlegt, dass die Erblasserin im Mai 2010 testierunfähig gewesen sein dürfte. Die Beteiligten zu 2. und 3. möchten das Rechtsmittel zurückgewiesen sehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Nachlassakte - unter Einbeziehung des Schriftsatzes der Beteiligten zu 2. und 3. vom 24. Juli 2018 - sowie auf die Testamentsakte 16 IV 737/16 AG Wesel Bezug genommen.
II. Das Rechtsmittel der Beteiligten ...