Leitsatz (amtlich)
Hat der Tatrichter unter (möglicher) Verkennung der kurzen Frist des § 418 Abs. 1 StPO im beschleunigten Verfahren verhandelt, so stellt der fehlende Eröffnungsbeschluss kein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis dar. Einen solchen Mangel hat das Revisionsgericht nur auf eine ordnungsgemäß erhobene Verfahrensrüge zu berücksichtigen (Aufgabe der früheren Senatsrechtsprechung, NStZ 1997, 613).
Verfahrensgang
LG Duisburg (Entscheidung vom 23.08.2002; Aktenzeichen 343 Js 83/02) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft hat der Angeklagten mit Schrift vom 25. Januar 2002 zur Last gelegt, am 23. November 2001 einen Diebstahl begangen zu haben und zugleich beantragt, im beschleunigten Verfahren (§ 417 StPO) zu entscheiden. Die Akten mit dieser Schrift gingen am 7. Februar 2002 bei dem Amtsgericht ein, das daraufhin mit Verfügung vom 1. März 2002 Termin zur Hauptverhandlung auf den 22. März 2002 anberaumte. An diesem Tag verurteilte das Amtsgericht die Angeklagte wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten, ohne zuvor über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden zu haben. Gegen das Urteil legte die Angeklagte fristgerecht Berufung ein. In der Berufungshauptverhandlung erklärten die Angeklagte und ihr Verteidiger übereinstimmend, ein jeder für sich: "Ich beschränke die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch und hier insbesondere auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung. " Die Staatsanwaltschaft stimmte der Berufungsbeschränkung zu. Durch das angefochtene Urteil verwarf das Landgericht die Berufung der Angeklagten als unbegründet. Die hiergegen gerichtete Revision der Angeklagten, die die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg.
II.
1.
Es kann dahinstehen, ob das Amtsgericht die Hauptverhandlung entsprechend der für das beschleunigte Verfahren geltenden Prozessvoraussetzung des § 418 Abs. 1 StPO "in kurzer Frist" durchgeführt hat. Denn mangels Erhebung einer entsprechenden Verfahrensrüge ist dem Senat die diesbezügliche Prüfung verwehrt.
a)
Das vorliegende Strafverfahren war womöglich objektiv nicht mehr für eine Aburteilung im beschleunigten Verfahren geeignet, weil zwischen Antragstellung und Entscheidung etwa sechs Wochen vergangen sind.
Zur zeitlichen Obergrenze des beschleunigten Verfahrens besteht keine einheitliche Ansicht in Rechtsprechung und Literatur. Ob zur Wahrung der Frist die Durchführung der Hauptverhandlung in erheblich kürzerer Zeit als im Normalverfahren ausreicht (so Senatsbeschluss NStZ 1997, 613; ähnlich auch OLG Düsseldorf (3. Strafsenat) StV 1999, 202 "Beurteilungsspielraum") oder ob die Terminierung binnen einer Zeitspanne von höchstens zwei Wochen zwingend erforderlich ist und um keinen Tag überschritten werden darf (so Gössel in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Aufl. , § 418 Rn 18), ist bislang nicht eindeutig geklärt. Die herrschende Meinung sieht eine Frist in Übereinstimmung mit den gesetzgeberischen Vorstellungen (BT-DR. 12/6853, S. 36) nur dann als kurz an, wenn diese zwei Wochen nicht wesentlich überschreitet (OLG Stuttgart StV 1998, 479 und NStZ 1999, 268; Tolksdorf in Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Aufl. , § 418 Rn. 5; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl. , § 418 Rn. 5; Metzger in KMR, StPO, § 418 Rn. 15: 1 Monat").
b)
Die Nichteinhaltung der kurzen Frist des § 418 Abs. 1 StPO zur Durchführung der Hauptverhandlung stellt zwar nach allgemeiner Ansicht einen Verfahrensmangel dar. Dieser ist aber nur auf eine den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechende Rüge zu berücksichtigen und begründet kein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis (vgl. BayObLG StV 2000, 302, OLG Stuttgart StV 1998, 479 f; HansOLG Hamburg NStZ 2000, 1007 f und NStZ-RR 2001, 206 f).
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass kein Eröffnungsbeschluss nach § 203 StPO erlassen wurde. Regelmäßig hat zwar das Revisionsgericht auf eine zulässige Revision auch ohne Erhebung der Verfahrensrüge das Vorliegen von Verfahrenshindernissen - zu denen auch der fehlende Eröffnungsbeschluss zu rechnen ist - von Amts wegen zu prüfen. Das beschleunigte Verfahren kennt indessen keinen Eröffnungsbeschluss, so dass in dieser Verfahrensart ein derartiger Beschluss auch nicht Prozessvoraussetzung ist. Wie sich aus dem Verfahrensablauf ergibt hat das Amtsgericht offensichtlich im beschleunigten Verfahren verhandeln wollen und aus diesem Grunde keinen Anlass für einen Eröffnungs- oder Ablehnungsbeschluss gemäß § 419 Abs. 3 StPO gesehen. Es mag sich dabei über die bislang noch nicht zuverlässig festgelegten Fristen des § 418 StPO geirrt haben. Dies begründet jedoch kein von Amts wegen beachtliches Verfahrenshindernis. An seiner abweichenden Ansicht im Beschluss vom 10. April 1997 (NStZ 1997, 613) hält der Senat nicht mehr fest.
Selbst schwerwiegende V...