Leitsatz (amtlich)
1. Bei Schlechterfüllung eines Heimvertrages steht dem Bewohner für seinen Eigenanteil ein Minderungsrecht zu, das rückwirkend für höchstens sechs Monate geltend gemacht werden kann und nicht von den Minderungsansprüchen der Kostenträger abhängig ist.
2. Das Kürzungsverlangen des Bewohners stellt eine geschäftsähnliche Handlung dar, die gegenüber dem Träger vorzunehmen ist.
Normenkette
HeimG a.F. § 5 Abs. 11; WBVG §§ 10, 17; SGB XI § 115 Abs. 3; BGB § 536
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 16.06.2010; Aktenzeichen 3 O 434/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 16.6.2010 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Wuppertal wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 20.522,54, davon Hilfsaufrechnung: 10.261,27 EUR
Gründe
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das LG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die gegen die Entscheidung vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine der Beklagten günstigere Entscheidung.
I. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 6.1.2011. Dort hat er im Wesentlichen ausgeführt:
Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin gegen die Beklagte aus § 3 Abs. 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Heimvertrages für vollstationäre Pflegeeinrichtungen vom 18.1.2007 (im Folgenden HV) ein Anspruch auf Zahlung des ausstehenden Eigenanteils für den geltend gemachten Zeitraum zusteht. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat diese keinen Anspruch auf Minderung des Eigenanteils wegen mangelhaft erbrachter Pflegeleistungen. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin die Pflegeleistungen tatsächlich mangelhaft erbracht hat. Denn der Anspruch ist bereits aus formellen Gründen ausgeschlossen.
1. Allerdings gewährt § 5 Abs. 11 Heimgesetz (in der bis zum 30.4.2010 geltenden Fassung - HeimG) dem Heimbewohner unter bestimmten Voraussetzungen ein Kürzungsrecht wegen mangelhafter Pflegeleistungen. Nach der Übergangsvorschrift des § 17 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (im Folgenden WBVG) sind auf Heimverträge i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 1 HeimG, die vor dem 1.10.2009 abgeschlossen worden sind, die §§ 5 bis 9 des Heimgesetzes in ihrer bis zum 30.9.2009 geltenden Fassung noch bis zum 30.4.2010 anzuwenden. Ab dem 1.5.2010 richten sich die Rechte und Pflichten aus den Heimverträgen ausschließlich nach dem WBVG. Der Wortlaut dieser Übergangsvorschrift und die Grundsätze des intertemporalen Rechts (vgl. BSG Urteil vom 11.11.2003 zu Az. B 2 U 15/03 R in FEVS 55, 481; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 9. Aufl., Art. 20. Rz. 68) sprechen dafür, dass auf Heimverträge, die wie hier vor dem Inkrafttreten des WBVG am 1.10.2009 noch nicht vollständig abgewickelt waren, noch nicht das WBVG, sondern die §§ 5 bis 9 Heimgesetz a.F. anzuwenden sind, wenn der Heimvertrag vor dem 1.5.2010 beendet worden ist.
Das war hier der Fall. Denn der Heimvertrag war von den Parteien vor Inkrafttreten des WBVG, nämlich am 18.1.2007, geschlossen worden. Seine Kündigung ist durch den Vertreter der Beklagten mit Schreiben vom 19.11. zum 26.11.2009, mithin vor dem Ende des Übergangszeitraums am 30.4.2010, erfolgt.
2. Nach § 5 Abs. 11 HeimG kann der Bewohner dann, wenn der Träger die heimvertraglichen Leistungen ganz oder teilweise nicht erbringt oder diese nicht unerhebliche Mängel aufweisen, eine angemessene Kürzung des vereinbarten Entgelts bis zu sechs Monate rückwirkend verlangen. Beide Ansprüche bestehen unbeschadet weitergehender zivilrechtlicher Ansprüche.
a) Diese Vorschrift ist auf den Fall der Beklagten uneingeschränkt anzuwenden, weil vorrangige Ansprüche von Sozialhilfeträgern nicht berührt sind. Vielmehr geht es hier um den Eigenteil der beklagten Bewohnerin, der bei ganz oder teilweise mangelhaften Leistungen des Trägers nicht in vollem Umfang geschuldet wird. Durch das novellierte Heimgesetz sollten die Rechtsstellung und der Schutz des Heimbewohners sowie die Qualität der Betreuung und Pflege weiterentwickelt werden (vgl. BT-Drucks. 14/5399 v. 23.2.2001 S. 1 "Zielsetzung"). § 5 Abs. 11 HeimG (ebenso jetzt § 10 Abs. 1 WBVG) sieht deshalb ein eigenes Minderungsrecht des Bewohners bei Schlechtleistung vor, ohne dass dieses Kürzungsrecht von den Minderungsansprüchen der Kostenträger (vgl. § 115 Abs. 3 SGB XI) vollständig abhängig sein soll. Denn nicht jeder Minderungsanspruch des Bewohners hat Auswirkungen auf die Verträge mit den Kostenträgern (vgl. BT-Drucks., a.a.O., S. 23). Soweit allerdings ein Kostenträger nach § 115 Abs. 3 SGB XI wegen desselben Sachverhalts einen Minderungsanspruch durchgesetzt hat, steht dem Bewohner ein Kürzungsrecht nicht zu.
Anders liegt es im vorliegenden Fall. Vorrangige Ansprüche von Trägern der Sozialhilfe bestehen nicht. Sie haben zugunsten der Beklagten Leistungen nicht erbracht. Hier geht es allein um den Eigenanteil der Beklagten, den sie bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 11 HeimG grundsätzlich kürzen könnte (vgl. BGH NJW 2005, 824).
b) Es läss...