Leitsatz (amtlich)
Art. 83 Nr. 4 IRG steht einer Auslieferung nicht entgegen, wenn dem Verfolgten keine lebenslange, sondern nur eine zeitige Freiheitsstrafe von höchstens 25 Jahren droht.
Normenkette
EuAlÜbk § 22; IRG § 15; GG Art. 116; EuAlÜbk §§ 1-2, 6, 12, 16; GG Art. 16; IRG § 83 Nr. 4
Tenor
Gegen den Verfolgten wird die Auslieferungshaft zum Zwecke seiner Auslieferung an die albanische Regierung zur Strafverfolgung angeordnet.
Gründe
I.
Durch Beschluss vom 20. Februar 2014 hat der Senat gegen den Verfolgten die vorläufig Auslieferungshaft zum Zwecke seiner Auslieferung an die albanische Regierung zur Strafverfolgung angeordnet.
Nachdem die Auslieferungsunterlagen der albanischen Behörden nicht binnen der 40-Tage-Frist gemäß Art. 16 Abs. 4 EuAlÜbk eingegangen waren, wurde der Verfolgte auf Anordnung der Generalstaatsanwaltschaft am 21. März 2014 aus der vorläufigen Auslieferungshaft entlassen. Am 28. März 2014 sind die Auslieferungsunterlagen der albanischen Behörden auf dem dafür vorgesehenen diplomatischen Geschäftsweg eingegangen.
Das Festnahmeersuchen der albanischen Justizbehörden stützt sich auf den Haftbefehl des Gerichts B. vom 13. Dezember 2013 (Nr 41), mit dem die Verhaftung des Verfolgten zur Strafverfolgung wegen zweifachen Mordes gesichert werden soll. Darin wird dem Verfolgten zur Last gelegt, in B am 2./3. Juni 1997 gemeinschaftlich mit drei weiteren Personen den E. und den A. getötet zu haben. Die Täter fesselten die Opfer zunächst mit Stacheldraht und schlugen auf sie mit Gewehrschäften ein. Am Morgen des 3. Juni 1997 schleppten sie die an die Anhängerkupplung eines Pkw gebundenen Körper der Opfer auf den Platz "V" in B., übergossen sie mit Benzin und zündeten sie an. Als A. noch einmal aufstand, erschoss der Verfolgte ihn.
II.
Der Anordnung der Auslieferungshaft stehen Bedenken nicht entgegen.
1.
Das Festnahmeersuchen genügt den formellen Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 2 a) EuAlÜbk.
2.
Die Auslieferung des Verfolgten erscheint nicht von vornherein unzulässig (Art. 22 EuAlÜbk in Verbindung mit § 15 Abs. 2 IRG).
a)
Der Verfolgte unterliegt gemäß Art. 1, 2 und 6 EuAlÜbk in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 Satz 1 GG der Auslieferung. Er ist nicht Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG, sondern nach den Angaben im Festnahmeersuchen und seinen eigenen Angaben bei der richterlichen Vernehmung albanischer Staatsangehörger.
b)
Die Straftat, hinsichtlich der die Auslieferung erfolgen soll, ist gemäß Art. 2 Abs. 1 EuAlÜbk auslieferungsfähig. Sie ist sowohl nach deutschem Recht (§ 211 StGB) als auch nach dem Recht des ersuchenden Staates (Art. 78, 25 des albanischen Strafgesetzbuches) im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht.
c)
Sonstige Umstände, die der Auslieferung nach Art. 3 bis 5 und 7 bis 11 EuAlÜbk zwingend oder fakultativ entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich.
Ob Art. 22 EuAlÜbk in Verbindung mit § 83 Nr. 4 IRG der Zulässigkeit einer Auslieferung entgegen steht, kann bislang nicht abschließend beurteilt werden. Danach ist eine Auslieferung nicht zulässig, wenn die dem Ersuchen zugrunde liegende Tat nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder einer sonstigen lebenslangen freiheitsentziehenden Sanktion bedroht ist und eine Überprüfung der Vollstreckung nicht spätestens nach zwanzig Jahren erfolgt. Nach dem Bericht der Staatsanwaltschaft bei dem Gericht erster Instanz in B ist zwar die Straftat - zweifacher Mord in Mittäterschaft - gemäß Art. 229 KPP (Kodi i Procedures Penale/StPO) in Verbindung mit Art 78, 25 KP (Kodi Penal/StGB) lediglich mit einer Freiheitsstrafe zwischen fünfzehn und fünfundzwanzig Jahren bedroht. Aus der dem Senat vorliegenden Übersetzung des Art. 78 KP ergibt sich, dass nach dessen Satz 1 die Begehung einer Tötung mit Vorbedacht mit Freiheitsstrafe zwischen fünfzehn und fünfundzwanzig Jahren bestraft wird. Aus Satz 2 der Vorschrift ergibt sich aber, dass die Strafandrohung für Mord aus Interesse, Rache oder Blutrache auch mit lebenslanger Freiheitsstrafe sanktioniert werden kann. Die Generalstaatsanwaltschaft hat die albanischen Behörden bereits auf dem Interpolweg gebeten, dazu Stellung zu nehmen, ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt das albanische Recht dem Verfolgten im Falle einer Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe die Möglichkeit einer Strafaussetzung, Begnadigung oder Strafvollzugslockung mit Freigang einräumt und ob hiervon in der Rechtspraxis Gebrauch gemacht wird. Dieser Bitte sind die albanischen Behörden bislang nicht nachgekommen. Der Senat geht davon aus, dass die Generalstaatsanwaltschaft die albanischen Behörden an die Erledigung der Anfrage erinnern wird. Sollten die albanischen Behörden verbindlich zusichern, dass im vorliegenden Fall lediglich eine Verurteilung nach Art. 78 Satz 1 KP zu einer Freiheitsstrafe von bis zu fünfundzwanzig Jahren in Betracht kommt, wäre § 83 Nr. 4 IRG, der die drohende Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsentziehung voraussetzt, bereits dem Wortla...