Leitsatz (amtlich)

1. Über die Anhörungsrüge entscheidet der Senat in der nach seinen Mitwirkungsgrundsätzen gem. § 21g GVG berufenen regulären Spruchgruppe und nicht in derselben Besetzung wie in der angegriffenen Entscheidung, bei der ein Mitglied des Senats an der Mitwirkung verhindert war.

2. Art 103 Abs. 1 GG gewährt ebenso wenig einen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit dem Vorbringen einer Partei in der Weise auseinandersetzt, die sie selbst für richtig hält, wie darauf, dass es verpflichtet ist, der von einer Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen.

 

Normenkette

ZPO § 321a; GG Art. 103 I

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Aktenzeichen 10 O 88/09)

 

Tenor

Die Anhörungsrüge der Beklagten gegen den Beschluss des Senates vom 16.4.2012 wird zurückgewiesen

Die Kosten des Rügeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

 

Gründe

Die zulässig erhobene Anhörungsrüge der Beklagten ist gem. § 321a ZPO unbegründet.

1. Über die Anhörungsrüge entscheidet der Senat in der nach seinen Mitwirkungsgrundsätzen gem. § 21g GVG berufenen regulären Spruchgruppe und nicht in derselben Besetzung wie in der angegriffenen Entscheidung, bei der ein Mitglied des Senats an der Mitwirkung verhindert war (vgl. hierzu BGH NJW-RR 2006, 63; Zöller/Vollkommer, ZPO, § 321a Rz. 15a; Senat, Beschl. v. 19.8.2010 - I-24 U 197/09). § 321a ZPO enthält keine - etwa dem § 320 Abs. 4 Satz 2 ZPO vergleichbare - Bestimmung darüber, wer an der Entscheidung über die Anhörungsrüge mitzuwirken hat. Der Senat hat den Fall der Anhörungsrüge auch nicht in seinem Geschäftsverteilungsplan speziell geregelt. Mangels einer solchen Regelung hat der Senat in seiner regulär berufenen Zusammensetzung über die Anhörungsrüge zu befinden. Insoweit gilt für die Mitwirkung an der Entscheidung über eine Anhörungsrüge, die im Erfolgsfall zu einer Fortsetzung des Verfahrens führt, nichts anderes als etwa für einen Berichtigungsbeschluss nach § 319 ZPO, für eine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO sowie für eine Entscheidung über eine Gegenvorstellung oder die Abhilfe einer Beschwerde nach § 572 Abs. 1 ZPO (BGH, a.a.O.). Da die Anhörungsrüge nach § 321a ZPO gegen alle instanzbeendenden Entscheidungen, auch von Einzelrichtern, in Betracht kommt, gegen die ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf nicht gegeben ist, würde ein an § 320 Abs. 4 Satz 2 ZPO orientiertes Verständnis über die Mitwirkung des bisher entscheidenden Richters die Anwendung dieser Rüge in einem ihrem Zweck nach nicht gerechtfertigten Umfang einschränken (BGH, a.a.O.). Entscheidungen über Gehörsverletzungen sind damit von dem Gericht stets in der dann zuständigen Besetzung zu treffen, weil sie allein an Hand der Akten ergehen können (Senat, a.a.O.).

2. Nach § 321a ZPO ist auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Zwar ist die erstgenannte Voraussetzung hier erfüllt, weil der Senatsbeschluss vom 16.4.2012 unanfechtbar ist. Die Beklagte ist aber nicht entscheidungserheblich in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt worden. Die von ihr geltend gemachten Verstöße gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegen nicht vor.

a) Die Gerichte sind nach Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet, das Vorbringen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG gebietet insbesondere in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblichen Vorbringens und der entsprechenden Beweisanträge. Das Gebot rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass gerichtliche Entscheidungen frei von Verfahrensfehlern ergehen, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (vgl. BVerfGE 69, 141 [143]; BVerfG, Beschl. v. 24.10.2007 - 1 BvR 1086/07; BGH, Beschl. v. 21.1.2010 - VI ZR 162/09; BGH, Beschl. v. 15 Juni 2010 - XI ZR 318/09). Ein Verstoß gegen diese Grundrechtsgewährleistung liegt dann vor, wenn die Nichtberücksichtigung eines Beweismittels im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfGE 69, 141 [144]). Allerdings gewährt Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz dagegen, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt lässt. Insbesondere darf das Fachgericht nach diesen Maßstäben grundsätzlich Beweisangebote, die es nicht für erheblich ansieht, unberücksichtigt lassen (BVerfG, a.a.O.; BGH, a.a.O.). Art 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit dem Vorbringen einer Partei in der Weise auseinandersetzt, die sie selbst für richtig hält (BVerfGE 80, 269 [286]). Ebenso wenig folgt aus dem Prozessgrundrecht eine Pflicht der Gerichte, der von einer Partei vertretenen Rechtsansicht zu folgen (BVerfGE 87, 1 [33]; BGH, Beschl. v. 1.7.2010 - IX ZR 1/08; BGH, Besch...

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