Leitsatz (amtlich)
Der von einem Aktionär gestellte Antrag auf Überprüfung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats kann allenfalls in Ausnahmefällen als rechtsmissbräuchlich angesehen werden.
Auch eine Holdinggesellschaft, deren satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand in dem Erwerb, Halten und der Veräußerung von Beteiligungen besteht, kann ihrer tatsächlichen Geschäftstätigkeit nach als Konzernobergesellschaft anzusehen sein, so dass ihr die Mitarbeiter ihrer Beteiligungsgesellschaften zuzurechnen sind und bei ihr ein mitbestimmter Aufsichtsrat zu bilden ist.
Normenkette
AktG §§ 98-99; FamFG §§ 63, 65
Verfahrensgang
LG Köln (Aktenzeichen 82 O 128/16 [AktE]) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin vom 12.06.2017 gegen den Beschluss der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 28.04.2017 - 82 O 128/16 - in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 30.10.2017 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Geschäftswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Antragsgegnerin ein Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz zu bilden ist.
Die 1989 gegründete Antragsgegnerin ist eine in der Rechtsform der Aktiengesellschaft betriebene Holding. Sie beschäftigt derzeit 31 eigene Mitarbeiter, über eine Personalabteilung verfügt sie nicht. Ihr Beteiligungsportfolio - eingeteilt in fünf Segmente ("Bau/Infrastruktur", "Fahrzeugtechnik", "Maschinen- und Anlagenbau", "Medizin- und Gesundheitstechnik" und "Metalltechnik") - besteht aus Beteiligungen im Mehrheits- und Alleinbesitz an derzeit 45 Beteiligungsgesellschaften. Diese mittelständisch geprägten Unternehmen produzieren ingenieurgetriebene (Nischen)-Produkte und wurden von der Antragsgegnerin überwiegend im Rahmen von Unternehmensnachfolge-Situationen von Eigentümer-Familien erworben. Die Mehrzahl hat ihren Sitz in Deutschland und wird in der Rechtsform der GmbH oder GmbH & Co. KG geführt, vier Beteiligungen haben ihren Sitz in der Schweiz; zahlreiche halten Anteile an Enkelgesellschaften, an denen die Antragsgegnerin indirekt beteiligt ist. Im Jahresdurchschnitt 2017 beschäftigten allein die Beteiligungsunternehmen in Deutschland ca. 7.456 Arbeitnehmer. Zwischen den Beteiligungsgesellschaften und der Antragsgegnerin bestehen keine Eingliederungen, Beherrschungs- oder Gewinnabführungsverträge; steuerliche Organschaften, personelle Verflechtungen oder Prokuren, Handlungsvollmachten oder sonstige Organstellungen der Vorstände der Antragsgegnerin in den Beteiligungsgesellschaften bestehen ebenfalls nicht. Weder bei den Beteiligungsgesellschaften noch bei der Antragsgegnerin selbst existiert ein mitbestimmter Aufsichtsrat, Beirat oder Konzernbetriebsrat.
Der Antragsteller ist Aktionär der Antragsgegnerin und hält 5 Stückaktien. Mit an die Antragsgegnerin gerichtetem Schreiben vom 4.08.2016 rügte er die Fehlbesetzung ihres Aufsichtsrats. Die Antragsgegnerin beschäftige insgesamt über 2.000 Mitarbeiter, so dass das Mitbestimmungsgesetz Anwendung finde.
Der Vorstand der Antragsgegnerin wies den Vorwurf zurück. Bei ihr handele es sich um eine "reine Vermögens-Holding (Finanzholding)", daher bestehe kein Konzern im Sinne von §§ 17, 18 AktG, so dass ihr auch die Mitarbeiter ihrer Beteiligungsgesellschaften - ungeachtet der grundsätzlichen Frage, ob für die Ermittlung der maßgeblichen Größe Arbeitnehmer ausländischer Beteiligungsgesellschaften mitzuzählen seien - nach den mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften nicht als eigene zuzurechnen seien.
Der Antragsteller bestand weiter darauf, dass die mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften Anwendung fänden, da die Antragsgegnerin die Leitungsmacht über die von ihr gehaltenen Beteiligungsgesellschaften ausübe. Am 3.11.2016 kam es zu einem persönlichen Gespräch eines Vorstandsmitglieds und einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin für Öffentlichkeitsarbeit mit dem Antragsteller in Berlin; der Inhalt im Einzelnen ist streitig. Bereits zuvor, im Oktober 2016, hatte der Antragsteller beim Landgericht die gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrates der Antragsgegnerin beantragt. Das Verfahren wurde am 22.11.2016 im Bundesanzeiger bekannt gemacht.
Zur Begründung seines Antrags hat sich der Antragsteller auf die Darstellung der Geschäftstätigkeit der Antragsgegnerin in ihrem - 230 Seiten umfassenden - Geschäftsbericht für das Jahr 2015 berufen. Daraus ergebe sich, dass sie - als "Führungsgesellschaft" - die faktische Leitungs- und Weisungsmacht über die Beteiligungsunternehmen ausübe, deren Arbeitnehmer ihr folglich nach der Konzernvorschrift des § 5 Abs. 1 MitbestG zuzurechnen seien. U.a. sei dem Geschäftsbericht zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin bei individuellen Jahrestreffen mit den einzelnen Beteiligungsgesellschaften Zielvereinbarungen treffe, in ihrem Strategieprogramm "Kompass 2020" konkrete strategische Vorgaben mache und die Beteili...