Verfahrensgang
AG Oberhausen (Entscheidung vom 20.07.2016) |
Tenor
- Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
- Die Sache wird dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
- Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben. Das Verfahren wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Oberhausen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Nach den getroffenen Feststellungen befuhr der Betroffene am 13. Oktober 2015 mit einem PKW um 16:51 Uhr die Königstraße in Oberhausen mit einer Geschwindigkeit von 54 km/h, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h beschränkt war. Die Messung der Geschwindigkeit erfolgte mittels des Messgerätes ESO 3.0.
Ausweislich der Ausführungen zur Beweiswürdigung bestand die Messapparatur aus der Messsensoreinheit, einer geeichten Fotoeinrichtung und einer weiteren, ungeeichten Fotoeinrichtung, welche als einzige mit einem Blitzgerät versehen war, weshalb nur das von dieser aufgenommene Foto einen erkennbaren Inhalt hat, während das Messfoto der geeichten Fotoeinrichtung bis auf eingeblendete Messdaten schwarz ist.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 80 EUR verurteilt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtbeschwerde.
2. Die Rechtsbeschwerde war - durch den Einzelrichter (§ 80a Abs. 1 OWiG) - zur Fortbildung des sachlichen Rechts zuzulassen (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG). Zwar hat sich die obergerichtliche Rechtsprechung bereits eingehend mit der Einstufung des eingesetzten Messverfahrens - einschließlich Zusatzfotoeinrichtung - als standardisiertes Messverfahren befasst (vgl. etwa OLG Hamm NStZ-RR 2013, 213 und OLG Dresden NZV 2016, 348). Soweit ersichtlich ist aber die Frage nach den über den Einzelfall hinausgehenden beweisrechtlichen Konsequenzen des hier festzustellenden völligen Fehlens eines auswertbaren Fotos der geeichten Fotoeinrichtung bislang nicht Gegenstand obergerichtlicher Erörterung gewesen.
Die Sache war dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen (§ 80a Abs. 3 OWiG).
3. Die nach ihrer Zulassung auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat zumindest vorläufig Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils nebst den getroffenen Feststellungen.
a) Die im angefochtenen Urteil dokumentierten Erkenntnisse aus der Hauptverhandlung bilden keine ausreichende Grundlage für die Annahme des Amtsgerichts, dass der dem Betroffenen vorgeworfene Wert der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit Ergebnis eines (im Wesentlichen) standardisierten Messverfahrens war, dessen Ablauf keine Veranlassung zu Zweifeln an der Richtigkeit der ermittelten Geschwindigkeit geben würde.
aa) Standardisierte Messverfahren sind nicht zwingend voll automatisierte, menschliche Handhabungsfehler ausschließende Verfahren. Hierunter fallen auch durch Normen vereinheitlichte (technische) Verfahren, bei denen die Bedingungen ihrer Anwendbarkeit und ihr Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGHSt 43, 277, 284).
Ist ein solches Verfahren zur Feststellung der gefahrenen Geschwindigkeit zur Anwendung gekommen, ist das Ergebnis der Messung nur bei konkreten Anhaltspunkten für Messfehler einer näheren Prüfung zu unterziehen. Die bloß denkbare Möglichkeit der Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses erfordert seine Nachprüfung nicht (BGH NJW 1993, 3081, 3083 f.).
Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Amtsgericht davon aus. dass das eingesetzte Verfahren ein standardisiertes Messverfahren in vorstehendem Sinne ist (OLG Hamm a. a. O.; OLG Dresden a. a. O.). Der Umstand, dass das durch die geeichte Fotoeinrichtung produzierte Messfoto schwarz war, und nur das weitere Foto, das einer ungeeichten Fotoeinrichtung entstammt, einen aussagekräftigen Inhalt hatte, hätte das Amtsgericht aber veranlassen müssen. die Richtigkeit des Messergebnisses einer konkreten Untersuchung zu unterziehen. Es durfte seinen weiteren Überlegungen nicht zugrunde legen, dass Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Messung nicht bestehen, und folglich nicht gemäß der vorstehend bezeichneten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von einer weitergehenden Prüfung absehen.
bb) Der Tatrichter hat sich auch bei standardisierten Messverfahren stets der Möglichkeit ihrer Fehlerhaftigkeit bewusst zu sein (BGH a. a. O. S: 3083). Er hat deshalb die ihm zum Messvorgang vorgelegten Unterlagen (Messfoto, Eichschein, Messprotokoll, etc.) auf mögliche Anhaltspunkte, an der Fehlerfreiheit der Messung zu zweifeln, zu untersuchen, weil überhaupt nur dann Zweifel an der Richtigkeit der Messung aufkommen können.
Die Bedeutung des Messfotos reduziert sich nicht auf die Wiedergabe von Fahrzeug und Fahrer, sondern es zeigt auch die Verkehrssituation zum Zeitpunkt der Messung (OLG Frankfurt NStZ-RR 2016. 185) und erlaubt dadurch eine Kontrolle der Messsituation in Bezug auf ersichtliche Fehlerquellen, wie...