Leitsatz (amtlich)
Wenn ein Richter in einer von ihm zu entscheidenden familienrechtlichen Sache zugleich in einer eigenen familienrechtlichen Sache (hier jeweils: nachehelicher Unterhalt) Mandant des Verfahrensbevollmächtigten eines Beteiligten ist, ist gegen ihn die Besorgnis der Befangenheit objektiv gerechtfertigt.
Verfahrensgang
AG Dinslaken (Aktenzeichen 26 F 101/12) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass gegen den Richter am Oberlandesgericht D. in der vorliegenden Beschwerdesache die Besorgnis der Befangenheit gerechtfertigt ist.
Gründe
I. Der beim Senat als Beschwerdegericht als Berichterstatter mitwirkende Beisitzer, Richter am Oberlandesgericht D., hat den Beteiligten mit dienstlicher Äußerung vom 17.01.2018 mitgeteilt, dass er in einer privaten familienrechtlichen Angelegenheit derzeit von der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners gerichtlich und außergerichtlich vertreten werde. Die Antragstellerin hat hierauf mit Schriftsatz vom 31.01.2018 den Richter am Oberlandesgericht D. abgelehnt.
II. Das Ablehnungsgesuch ist begründet.
Nach § 42 ZPO kann ein Richter von den Prozessparteien wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters vermögen nur objektive Gründe zu rechtfertigen, die vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit unparteiisch gegenüber (vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2006 - V ZB 194/05, NJW 2006, 2492, 2494; Beschluss vom 21.02.2011 - II ZB 10/11 Rz. 13).
Ob allein der Umstand, dass der Richter sich in einem privaten Rechtsstreit von dem Bevollmächtigten des Prozessgegners vertreten lässt, aus Sicht des Prozessgegners ein Grund ist, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln, wird in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beurteilt.
Nach Auffassung des KG (Beschl. v. 30.10.2013 - 23 U 121/13, NJW-RR 2014, 572; vgl. auch Zöller/Vollkommer § 42 Rdn. 13) soll die Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten der Gegenpartei als Befangenheitsgrund an sich genügen, weil es nahezu ausgeschlossen sei sich von dem als Mandant gefassten Vertrauen in die fachliche Leistungsfähigkeit des Anwalts als Richter freizumachen. Demgegenüber vertritt das OLG Köln (Beschluss vom 26. April 2017 - 16 W 26/17) die Auffassung, dass die Vertretung eines Richters durch den Bevollmächtigten einer Partei in einer eigenen Sache nur unter Hinzutreten weiterer Umstände die Besorgnis der Befangenheit zu begründen vermöge, weil der Richter, der einem Prozessbevollmächtigen gegenüber nicht emotional verbunden sei, sondern nur dessen Sach- und Fachkompetenz anerkenne, unbefangen entscheiden könne (Anschluss LG Magdeburg, 04. September 2015, 10 O 1771/14).
Im vorliegenden Fall kann diese Streitfrage indes dahinstehen, da jedenfalls hier weitere Umstände vorliegen. Diese bestehen darin, dass sowohl das (noch bestehende) Mandatsverhältnis als auch die von dem abgelehnten Richterkollegen - zumal als Berichterstatter - vorzubereitende und mitzuentscheidende Beschwerdesache familienrechtliche Angelegenheiten (Scheidungsfolgesachen) sind und ähnliche Rechtsfragen berühren. Insofern ist die Besorgnis gerechtfertigt, dass sich der abgelehnte Richter im bestehenden Mandatsverhältnis zu seiner Verfahrensbevollmächtigten in diesen Fragen und zur Förderung deren Engagements nicht ohne weiteres von einer im Eigeninteresse eingenommenen Haltung in seiner privaten Sache zu lösen vermag und die gebotene objektive Rolle in der zu beurteilenden fremden Sache einnehmen kann.
Unter diesen Umständen ist nicht auszuschließen, dass tatsächlich die (ggf. objektiv notwendige) Auswechslung des Standpunkts für den betroffenen Richter erschwert ist. Es ist deshalb objektiv gerechtfertigt, dass die Antragstellerin besorgt ist, dass der abgelehnte Richter nicht unbefangen agiert.
Fundstellen
Haufe-Index 11564600 |
NJW 2018, 9 |
FamRZ 2018, 932 |
NJW-RR 2018, 448 |
FamRB 2018, 214 |
NJW-Spezial 2018, 419 |