Leitsatz (amtlich)
Der Verfahrenswert einer Ehesache ist unter Einbeziehung von Schonvermögen der Eheleute i. S. des § 115 Abs. 3 ZPO zu bestimmen.
Verfahrensgang
AG Neuss (Aktenzeichen 45 F 171/23) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Landeskasse wird der Verfahrenswertbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Neuss vom 18.10.2023 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Verfahrenswert für das Scheidungsverfahren wird auf bis 500.000 EUR festgesetzt.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Durch Beschluss vom 18.10.2023 hat das Amtsgericht die Ehe der Beteiligten geschieden und von der Durchführung des Versorgungsausgleichs abgesehen, da dieser durch notariellen Vertrag vom 04.07.2023 (UR-Nr. 514/2023, Notar N.) ausgeschlossen wurde.
Das Amtsgericht hat den Verfahrenswert für das Scheidungsverfahren auf 27.000 EUR und das Versorgungsausgleichsverfahren auf 1.000 EUR festgesetzt. In der Antragsschrift vom 26.07.2023 hat die Antragstellerin ihr Nettoeinkommen mit 2.500 EUR und das des Antragsgegners mit 7.000 EUR angegeben.
Gegen die Bemessung des Verfahrenswertes wendet sich die Landeskasse. Sie macht geltend, nach § 43 Abs. 1 S. 1 FamGKG seien in die Wertbestimmung auch die Vermögensverhältnisse der Ehegatten einzubeziehen. Diese ergäben sich aus dem notariellen Vertrag vom 04.07.2023, in welchem die Ehegatten ihr Gesamtvermögen mit 9.250.000 EUR angegeben hätten (4 Immobilien mit insgesamt 7.25 Mio. EUR und Unternehmensbeteiligungen mit 2 Mio. EUR). Nach der maßgebenden Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 14.04.2020, II-7 WF 168/19) sei von dem Vermögen ein Freibetrag für jeden Ehegatten von 60.000,00 EUR abzuziehen und ein Ansatz von 5 % des dann verbleibenden Vermögens vorzunehmen. Der Senat habe in dieser Entscheidung ausdrücklich nicht an der im Beschluss vom 23.05.2017 (II-7 WF 69/17) vertretenen Auffassung festgehalten, wonach Grundbesitz, der unter § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII fällt, nicht verfahrenswerterhöhend zu berücksichtigen sei. Nach Abzug von Freibeträgen für die Eheleute in Höhe von jeweils 60.000 EUR und bei Ansatz von 5 % des verbleibenden Vermögens ergebe sich ein hierauf entfallender Verfahrenswert von 456.500 EUR. Unter Hinzurechnung des auf das Einkommen entfallenden Verfahrenswertes von 28.500 EUR (3 × 9.500 EUR) betrage der Verfahrenswert der Scheidungssache 485.000 EUR. Unter Zugrundelegung des dreimonatigen Nettoeinkommens der Ehegatten und der Annahme, dass jeder Ehegatte zumindest ein Anrecht erworben habe, betrage der Verfahrenswert der Folgesache Versorgungsausgleich gemäß § 50 Abs. 1 FamGKG 5.700 EUR (2 × 2.850 EUR). Der Verfahrenswert sei daher auf insgesamt 490.700 EUR festzusetzen.
Die Vertreter der Antragstellerin machen geltend, das Amtsgericht habe bei der Verfahrenswertbestimmung sein gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 FamGKG bestehendes Ermessen zutreffend ausgeübt und berücksichtigt, dass Beteiligte bei einer einvernehmlichen Scheidung ohne Folgesachen einen möglichst niedrigen Verfahrenswert erwarten dürften. Dass bei der Festsetzung des Verfahrenswertes nur auf das Einkommen der Ehegatten abgestellt worden sei und die Vermögensverhältnisse unberücksichtigt geblieben seien, sei daher nicht zu beanstanden. Wollte man dennoch das Vermögen berücksichtigen, müsse zumindest der Wert selbstbewohnter Immobilien außer Betracht bleiben. Jedenfalls sei bei selbstgenutzten Immobilien höchstens der dreifache Betrag des monatlichen Nutzwertes anzusetzen. Die Bemessung des Verfahrenswertes für das Versorgungsausgleichsverfahrens mit dem Mindestwert von 1.000 EUR sei ebenfalls nicht zu beanstanden, da die Prüfung der Feststellung, dass ein Versorgungsausgleich aufgrund der nach §§ 6, 8 VersAusglG bindenden Vereinbarung der Ehegatten nicht stattfindet, keinen besonderen Aufwand erfordere.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 01.02.2024 nicht abgeholfen und seine Ermessensausübung gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 FamGKG bestätigt. Insbesondere bei einer einvernehmlichen Scheidung ohne Folgesachen dürften die Beteiligten regelmäßig einen möglichst geringen Verfahrenswert erwarten, so dass die Entscheidung, bei der Festsetzung des Verfahrenswertes lediglich auf das Einkommen der Ehegatten abzustellen und die übrigen Vermögensverhältnisse unberücksichtigt zu lassen, verhältnismäßig sei.
II. Die zulässige Beschwerde der Landeskasse gegen die Festsetzung des Verfahrenswertes für das Scheidungsverfahren ist begründet. Sie führt zu einer Wertfestsetzung für das Scheidungsverfahren auf bis 500.000 EUR.
1. Nach § 43 Abs. 1 S. 1 FamGKG ist in Ehesachen der Verfahrenswert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen.
a) Das für den Bemessungsfaktor der Einkommensverhältnisse nach § 43 Abs. 2 FamGKG maßgebliche in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Beteiligten beläuft sich auf ([7.000 EUR...