Leitsatz (amtlich)

1. Ein lediglich mittelbares Auftragsinteresse auf Erlangen von Aufträgen aus einem Nachunternehmerverhältnis kann eine Antragsbefugnis nicht begründen.

2. Wenn der Auftraggeber den Zeitpunkt der Telefax-Bieterinformation so wählt (hier Gründonnerstag 2014), dass sich die Frist für die Anbringung eines Nachprüfungsantrags faktisch von zehn auf drei Tage reduziert, ist ihm verwehrt, sich mit Erfolg auf eine Verletzung der Rügeobliegenheit zu berufen.

 

Normenkette

GWB § 107 Abs. 2-3; VOL/A § 4 Abs. 1

 

Verfahrensgang

BKartA (Beschluss vom 28.05.2014; Aktenzeichen VK 2-35/14)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 28.5.2014 (VK 2-35/14) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB werden der Antragstellerin auferlegt.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: Euro

 

Gründe

I. Die Antragsgegnerin, vertreten durch das Bundesministerium für Gesundheit, ließ durch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung als Vergabestelle im Januar 2014 den Abschluss einer Rahmenvereinbarung über Spot-Schaltungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Kino öffentlich ausschreiben. Ausweislich des Rahmenvertragsentwurfs sollten im Wesentlichen folgende Leistungen Vertragsgegenstand sein:

  • Unterbreiten von Vorschlägen hinsichtlich Schaltungsarten, Anzahl und Titel der Filme und Zielgruppe,
  • umfassende Beratung des Auftraggebers mit Blick auf die Auswahl von Spotschaltungen,
  • detaillierte Planung der Kinoschaltungen,
  • schriftliche Darstellung betreffend Anzahl der Kontakte, Schaltungsarten, Beginn und geplante Dauer, Titel und Anzahl der Filme, Auswahl der Kinos, Optimierung, Anzahl der benötigten Kopien und
  • Kostenkalkulation.

Die Vergütung sollte "sämtliche Kosten des Auftragnehmers für alle anfallenden Leistungen einschließlich aller Schaltungskosten sowie Agentur-, Beratungs- und Planungsleistungen" umfassen und so auch angegeben werden.

Parallel dazu bestand resp. besteht federführend zwischen dem Ministerium des Innern und der Carat Wiesbaden GmbH & Co. KG Media Service (im Folgenden: Carat) bis zum 31.12.2013 ein Rahmenvertrag über die Schaltung von Informationskampagnen in Medien, der für den Zeitraum vom 1.1.2014 bis zum 31.12.2016 durch einen neuen Vertrag ersetzt worden ist. Diese Verträge hatten/haben im Wesentlichen zum Gegenstand:

  • Media

    Strategische Mediaanalyse und -beratung,

    Mediaplanung,

    Mediaeinkauf,

  • Gesamtrabattierung.

Im Bereich Media (nicht: Gesamtrabattierung) ist die Antragstellerin Unterauftragnehmerin von Carat.

Die Antragstellerin beteiligte sich mit einem Angebot an der eingangs bezeichneten Ausschreibung, sollte gemäß der Bieterinformation vom 17.4.2014 zugunsten der Beigeladenen jedoch nicht den Zuschlag erlangen, weil ihr Angebot wegen Änderung an den Vergabeunterlagen auszuschließen und außerdem nicht das wirtschaftlichste sei.

Dies rügte die Antragstellerin mit einem Telefaxschreiben von Freitag, dem 25.4.2014. Etwa eine Dreiviertelstunde zuvor ließ sie durch ihre Verfahrensbevollmächtigten einen Nachprüfungsantrag anbringen.

Im erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahren haben die Verfahrensbeteiligten (mangels vorheriger Rüge) über die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags und über eine Präklusion nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB, über eine unzulässige Doppeltvergabe sowie über einen Ausschluss des Angebots der Antragstellerin von der Wertung gestritten.

Die 2. Vergabekammer des Bundes hat den Nachprüfungsantrag durch Beschluss vom 28.5.2014 (VK 2-35/14) abgelehnt. Auf die Gründe der Entscheidung wird verwiesen.

Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde erhoben, mit der sie ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und insbesondere ihre Ansicht hinsichtlich einer unstatthaften Doppeltvergabe vertieft. Außerdem sei die Vergabekammer, so die Antragstellerin, ihren Anträgen auf Vernehmung von Zeugen prozessual fehlerhaft nicht nachgegangen.

Die Antragstellerin beantragt, der Antragsgegnerin unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Erteilung eines Zuschlags zu untersagen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die Anlagen sowie auf die Verfahrensakten der Vergabekammer und die beigezogenen Vergabeakten Bezug genommen.

II. Die sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Nachprüfungsantrag ist teils unzulässig und im Ergebnis insgesamt auch unbegründet.

1. Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags

a) Der Nachprüfungsantrag scheitert nicht daran, dass nicht prioritäre Dienstleistungen ausgeschrieben worden sind. Nach geltender nationaler Gesetzeslage unterliegen auch nicht prioitäre Dienstleistungen einer Nachprüfung durch die Vergabenachprüfungsinstanzen, sofern der maßgebende Schwellenwert mindestens erreicht ist (vgl. BGH, Beschl. v. 8.2.2011 - X ZB 4/10 - S-Bahnverkehr Rhe...

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