Leitsatz (amtlich)
1. Mehrerlöse, die der Netzbetreiber dadurch erzielt hat, dass die Erlöse in der Zeit zwischen Antragstellung bis zur Geltung der ersten Netzentgeltgenehmigung nach § 23a EnWG nicht den materiellen Entgeltmaßstäben der GasNEV/StromNEV entsprochen haben, können auch noch im System der Anreizregulierung gem. § 34 Abs. 1 ARegV i.V.m. § 10 GasNEV/§ 11 StromNEV analog periodenübergreifend bei den Erlösobergrenzen abgeschöpft werden.
2. Die Mehrerlösabschöpfung ist auch bei einem vertikal integrierten Unternehmen durchzuführen, das mangels Durchleitungskunden die Netzleistungen für den eigenen Vertrieb im integrierten Unternehmen erbracht hat. Insoweit ist das Unternehmen fingiert als entflochten zu behandeln.
3. Dem Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 23a Abs. 4 Satz 2 EnWG steht nicht entgegen, dass dem auf dem Basisjahr 2004 beruhenden Entgeltantrag der Jahresabschluss 2004 sowie die Gewinn- und Verlustrechnung für die Gassparte nicht beigefügt waren. Für die Frage, ob die Unterlagen vollständig i.S.d. § 23a Abs. 4 Satz 2 EnWG sind, kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Antragstellung an, welche diesbezüglich jedoch nicht eindeutig war.
Normenkette
ARegV § 34 Abs. 1; GasNEV § 10; ARegV § 11; EnWG § 23a Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
Landesregulierungsbehörde (Gerichtsbescheid vom 19.11.2010; Aktenzeichen 423-38-20/2.1) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Betroffenen wird der Bescheid der Landesregulierungsbehörde vom 19.11.2010 - 423-38-20/2.1, dahin abgeändert, dass der Mehrerlösbetrag i.H.v. ... EUR durch einen von der Landesregulierungsbehörde nach Maßgabe der Entscheidungsgründe neu zu berechnenden Betrag ersetzt wird. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen Auf Antrag der Betroffenen wird die aufschiebende Wirkung der Beschwerde der Betroffenen vom 6.12.2010 gegen den Bescheid der Landesregulierungsbehörde vom 19.11.2010 - 423-38-20/2.1, insoweit angeordnet, als der von der Betroffenen bei der jährlichen Mitteilung zur Anpassung der Erlösobergrenzen für die Jahre 2011, 2012, 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017 jeweils Erlösobergrenzen mindernd zu berücksichtigende Mehrerlösbetrag von ... EUR Mehrerlöse aus dem Zeitraum vom 1.8.2006 bis zum 31.8.2007 enthält. Im Übrigen wird der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der der Betroffenen im Beschwerdeverfahren sowie im Eilverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landesregulierungsbehörde. Eine Erstattung der notwendigen Auslagen der beteiligten Bundesnetzagentur findet nicht statt.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf ... EUR festgesetzt. Der Gegenstandswert für das Eilverfahren wird auf ... EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bescheid der Landesregulierungsbehörde vom 19.11.2010, in dem sie Mehrerlöse aus der Zeit vom 30.1.2006 bis 31.8.2007 zur Berücksichtigung bei den Erlösobergrenzen in den Jahren 2011 bis 2017 festgelegt hat.
Die Betroffene betreibt als vertikal integriertes Energieversorgungsunternehmen ein regionales Verteilernetz für die Gasversorgung in den Gebieten der Städte B., C. und D. sowie im Gebiet der Gemeinde E.
Mit Schreiben vom 28.1.2006, bei der Landesregulierungsbehörde eingegangen am 30.1.2006, beantragte die Betroffene die Genehmigung der Netzentgelte nach § 23a EnWG für den Zeitraum ab dem 1.8.2006. Wegen der Einzelheiten des Antragsinhalts wird auf die Anlage Ast 3 Bezug genommen. Mit Schreiben vom 14.2.2006 teilte sie der Vollständigkeit halber mit, dass sich die beantragten Netzentgelte zzgl. Mehrkosten der jeweiligen Konzessionsabgabe verstünden. Die Landesregulierungsbehörde wies mit Schreiben vom 20.2.2006 u.a. darauf hin, dass die Antragsunterlagen unverzüglich auf ihre Vollständigkeit hin überprüft würden und die Frist für eine Genehmigungsfiktion i.S.d. § 23a Abs. 4 Satz 2 EnWG erst mit dem Vorliegen der vollständigen Unterlagen zu laufen beginne. Nachdem die Landesregulierungsbehörde in der Folgezeit keine Unterlagen anforderte, berief sich die Betroffene mit Schreiben vom 31.7.2006 auf die Genehmigungsfiktion des § 23a Abs. 4 Satz 2 EnWG und brachte ab dem 1.8.2006 die beantragten Netzentgelte zur Anwendung.
Am 31.1.2007 stellte die Betroffene einen weiteren Antrag auf Genehmigung der Netzentgelte nach § 23a EnWG für den Zeitraum ab dem 1.8.2007, die sie ab dem 1.8.2007 unter Berufung auf die Genehmigungsfiktion zur Anwendung brachte. Erstmals mit E-Mail-Schreiben vom 14.8.2007 forderte die Landesregulierungsbehörde von der Betroffenen weitere Unterlagen an, und zwar den Jahresabschluss 2004, eine Überleitungsrechnung von der Gassparte auf die Bereiche Gasnetz und Vertrieb für das Jahr 2004 sowie Informationen zu Netzübernahmen und zu Grundstückswerten für die Berechnung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung. Die Betroffene kam der Aufforderung mit Schreiben vom 19.9.2007 und 11.10.2007 nach. Wegen de...