Verfahrensgang
LG Dortmund (Beschluss vom 22.07.2015; Aktenzeichen 20 O 115/05 [AktE]) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin und unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels sowie der sofortigen Beschwerden der Antragstellerinnen zu 20), 21) und 43) wird der Beschluss der VI. Kammer für Handelssachen des LG Dortmund vom 22.07.2015 - 20 O 115/05 (AktE) - teilweise wie folgt abgeändert:
Die angemessene Barabfindung für die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der H. AG auf die Hauptaktionärin wird auf 20,41 EUR je Stückaktie festgesetzt.
Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin, die auch die in der Beschwerdeinstanz entstandene Vergütung und Auslagen des gemeinsamen Vertreters der Minderheitsaktionäre sowie 50 % der in der Beschwerdeinstanz angefallenen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu tragen hat.
Der Geschäftswert wird für das Verfahren I. Instanz und für das Beschwerdeverfahren auf 1.434.033 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsteller waren Aktionäre der H AG ("HAG") mit Sitz in Dortmund.
Die HAG wurde 1856 als H, Dortmund, gegründet und nach einem bei Bochum gelegenen Dorf benannt, in dem sich seinerzeit die. größten Kohlefelder der Gesellschaft befanden. Ab 1870 wurden H Aktien an der Berliner Börse, kurze Zeit später auch an der Pariser Börse gehandelt. Anfang der Zwanzigerjahre des 20. Jahrhunderts gehörte das Unternehmen zu den größten Bergbaugesellschaften im Ruhrgebiet. 1969 überführte die Gesellschaft ihr gesamtes aktives Bergbauvermögen in die R; sie behielt unter anderem die Energiewirtschaft, einen umfangreichen Wohnungs- und Flächenbestand, die Binnenschifffahrt sowie Beteiligungen an anderen Gesellschaften und großen Kohlekraftwerken. Mitte der siebziger Jahre begann sie mit der Errichtung und Vermietung von Gewerbeimmobilien. 1992 erwarb die ehemalige V, Dortmund, die Mehrheit der Aktien der HAG, die Ende 1994/Anfang 1995 in das Geschäft mit regenerativen Energien und dezentraler Energieversorgung einstieg. Im Jahr 2000 wurde die V auf die Antragsgegnerin verschmolzen. Im Zuge einer strategischen Neuausrichtung wurden die Geschäftsfelder "Service und Verkehr" der HAG veräußert; auch die in den siebziger Jahren gegründete Sparte "Kommunal und Umwelt" wurde nicht weiter verfolgt. Das Unternehmen konzentrierte sich im Kerngeschäftsfeld Energie auf die Wachstumssegmente "Regenerative Energien" und "Dezentrale Energieversorgung"; im Immobiliengeschäft reichte die Wertschöpfungskette vom Immobilienmanagement als Haupteinnahmequelle über die gewerbliche Projektentwicklung bis zum Bauträgergeschäft. Im Geschäftsjahr 2002 erreichte die HAG - im Wesentlichen aufgrund der Umsätze im Energiegeschäft - trotz Aufgabe der übrigen Geschäftsfelder mit rund 257 Mio. EUR das Umsatzniveau des Vorjahres.
Am 15.10.2004 beschloss die Hauptversammlung der HAG die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Antragsgegnerin gegen Gewährung einer Barabfindung (sog. Squeeze-out). Der Übertragungsbeschluss wurde am 24.08.2005 in das Handelsregister eingetragen und zuletzt am 14.09.2005 bekannt gemacht.
Zum Bewertungsstichtag betrug das Grundkapital 82.940.000 Euro und war eingeteilt in 31.900.000 auf den Inhaber lautende Stückaktien, die an den Börsenplätzen Frankfurt am Main, Düsseldorf, Berlin/Bremen, Hamburg und München im amtlichen Handel sowie in Hannover und Stuttgart im Freiverkehr gehandelt wurden. Hauptaktionärin war die Antragsgegnerin, die mittelbar und unmittelbar rund 95,06 % der HAG-Aktien hielt. Die restlichen Aktien (1.575.860 Stück) befanden sich im Streubesitz.
Der Übertragungsbeschluss sieht eine Barabfindung mit 19,50 EUR je Stückaktie vor; auf diesen Wert hat die Unternehmensleitung der Antragsgegnerin die Barabfindung unter Berücksichtigung des Bewertungsgutachtens der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft K vom 14.08.2004 festgesetzt. Diese hatten den Unternehmenswert der HAG zum Bewertungsstichtag 15.10.2004 - unter Berücksichtigung des zum Stichtag gültigen Bewertungsstandards IDW S1 2000 - mit insgesamt 562,2 Mio. EUR ermittelt und daraus einen Wert je Stückaktie in Höhe von 17,62 EUR abgeleitet. Den durchschnittlichen Börsenkurs bezifferten sie - im Einklang mit der später ergangenen Stollwerck-Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 19.07.2010 - bezogen auf den Referenzzeitraum drei Monate vor Bekanntgabe des Übertragungsverlangens am 08.06.2004 mit 18,73 EUR. Für die Geschäftsfelder Energie und Immobilien haben sie jeweils separate Ertragswerte - basierend auf der unternehmenseigenen Planung für die Geschäftsjahre 2004 bis 2008 - ermittelt. Die zum Erhalt der Ertragskraft erforderliche Investitionstätigkeit in der Sparte Energie haben sie - basierend auf den Wiederbeschaffungswerten und der wirtschaftlichen Nutzungsdauer der Anlagen am Ende der Detailplanungsphase - mit einer nachhaltigen Reinvestitionsrate von 48,0 Mio. EUR geschätzt. Die nachhaltige Reinvestitionsrate im Geschättsfeld Immobilien haben sie ...