Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Bemessung des Streitwertes eines selbständigen Beweisverfahrens außerhalb eines Rechtsstreits ist auf das Interesse des Antragstellers und nicht grundsätzlich auf die vom Sachverständigen ermittelten Mängelbeseitigungskosten abzustellen.
2. Der Senat hält nicht an der Rechtsauffassung fest, der Wert des selbständigen Beweisverfahrens bemesse sich nur mit 50 % des voraussichtlichen späteren Hauptsacheverfahrens.
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Beschluss vom 08.07.2003; Aktenzeichen 3 OH 28/00) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Gegenstandswert des selbstständigen Beweisverfahrens in Abänderung des Beschlusses des LG Mönchengladbach vom 8.7.2003 auf 12.500 Euro herabgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Zu Beginn der 60er Jahre hat der Rechtsvorgänger der Antragsgegner entlang der Grundstücksgrenze eine Bebauung - teils als bloße Mauer, teils als Gebäude - vorgenommen. Die Antragstellerin hat beginnend 1999 starke Rißbildungen, sich lösende Zementbrocken, Mauerwerksneigungen und Feuchtigkeit in dem ihrem Grundstück zugewandten Baukörper entdeckt; ihr Grundstück liegt tiefer als das Grundstück der Antragsgegner. Im Rahmen des schließlich eingeleiteten selbständigen Beweisverfahren hat sie an den Sachverständigen umfangreiche Fragen zu den Kosten der Mängelbeseitigung gerichtet. Dieser hat die Kosten auf ca. 110.000 Euro geschätzt. Den Wert hat das LG der Schätzung des Streitwertes zugrundegelegt.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, der das LG nicht abgeholfen hat.
II. Die gem. § 25 Abs. 3 GKG zulässige Beschwerde hat Erfolg.
Der Gegenstandswert des Verfahrens ist vorliegend nicht auf 110.000 Euro entsprechend den ermittelten Mängelbeseitigungskosten, sondern mit 12.500 Euro (§§ 25 GKG, 3 ZPO) zu schätzen.
1. Bei der Bemessung des Streitwertes eines selbständigen Beweisverfahrens außerhalb eines Rechtsstreits ist auf das Interesse des Antragstellers und nicht grundsätzlich auf die vom Sachverständigen ermittelten Mängelbeseitigungskosten abzustellen. Zu bewerten ist nämlich der nach den Behauptungen des Antragstellers zu sichernde Anspruch. Da die tatsächlichen Feststellungen eines Sachverständigen einen späteren Hauptsacheprozess überflüssig machen können (§ 485 Abs. 2 ZPO), jedenfalls aber die Beweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleichsteht (§ 493 Abs. 1 ZPO), ist im Ausgangspunkt der Wertbemessung das sich später anschließende mögliche Hauptsacheverfahren und die dort geltend zu machenden Ansprüche. Soweit der Umfang der späteren Antragstellung im Hauptsacheverfahren unklar ist, ist das Interesse zu schätzen (§§ 25 GKG, 3 ZPO) (vgl. auch OLG Düsseldorf v. 3.8.2000 - 9 W 61/00, OLGReport Düsseldorf 2001, 151 [152] = MDR 2000, 1339).
Dient die Beweiserhebung der Vorbereitung eines Gewährleistungsprozesses, so wird bei Schätzung des Gegenstandswertes ohne Zweifel auf den Mangelbeseitigungsaufwand abgestellt werden können. Gewährleistungsansprüche oder ähnliches macht die Antragsstellerin des jetzigen Verfahrens jedoch ggü. den Gegnern nicht geltend. Sie hat in ihrer Antragsschrift vielmehr erklärt, wissen zu wollen, ob die Gefahr eines Zusammenbruchs der auf der Grundstücksgrenze zwischen den bebauten Grundstücken S.-straße 53 und S.-straße 57 von dem Rechtsvorgänger der Antragsgegner errichteten Wand besteht. Sie wollte sich folglich vor den Schäden schützen, die infolge eines Einsturzes der "Mauer" entstehen könnten. In erster Linie würde bei einem Einsturz ihr Gartengrundstück beeinträchtigt sowie eine auf ihrem Grundstück an die Wand angebaute Garage. Das Interesse der Antragstellerin sich vor solchen Schäden zu schützen, ist folglich zu schätzen. Die Antragstellerin hat im Rahmen ihrer Antragsschrift ihr Interesse mit 25.000 DM beziffert. Diesen Wert hält der Senat für angemessen, um das beschriebene Interesse der Antragstellerin zu bewerten. Ob die Antragstellerin aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen - insb. hinsichtlich der Mängelbeseitigungskosten - jetzt in der Lage ist, ggf. auch einen anderen Hauptsacheprozess zu führen, bei dem ggf., je nach Klageantrag, auch die Mängelbeseitigungskosten eine Rolle spielen könnten, hat vorliegend außer Betracht zu bleiben, da ein solches Interesse bei Verfahrenseinleitung - und dies ist der maßgebliche Zeitpunkt (§ 4 ZPO) - nicht geltend gemacht wurde.
2. Der Gegenstandswert ist nicht auf 50 % des Hauptsachewertes herabzusetzen.
Richtig ist allerdings, dass der 9. Zivilsenat bisher in ständiger Rechtsprechung eine entsprechende Reduzierung vorgenommen hat, weil das selbstständige Beweisverfahren nicht zu einem Rechtstitel führt, der die Durchsetzung des Anspruchs ermöglicht und vielfach eine verlässliche Einschätzung mit Blick auf einen späteren Rechtsstreit nicht möglich ist (OLG Düsseldorf v. 3.8.2000 - 9 W 61/00, OLGReport Düsseldorf 2001, 151 = MDR 2000, 1339).
Der Senat hält an dieser Rechtsauffassung jedoch nicht länger fest. Maßgeblich ist dah...