Leitsatz (amtlich)
Bei der Feststellung betrügerisch erlangter Sozialhilfebezüge darf sich der Tatrichter nicht mit dem bloßen Verweis auf eine behördliche Schadensaufstellung begnügen, sondern das Urteil muß zu erkennen geben, daß und inwieweit auf die angeblich "überzahlten" Beträge kein Anspruch bestand.
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Duisburg-Ruhrort hat die Angeklagte durch Urteil vom 27. März 2000 wegen Betruges zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die (Sprung)Revision der Angeklagten hat mit der allgemeinen Sachrüge (vorläufigen) Erfolg. Das zulässige und begründete Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts (§§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
1.
Das angefochtene Urteil weist insoweit einen Rechtsfehler auf, als die Entscheidungsgründe zur Schadensfeststellung lückenhaft sind und demzufolge keine hinreichende Nachprüfungsgrundlage für das Revisionsgericht bilden.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts bezog die Angeklagte im Zeitraum 1. Februar bis 31. Oktober 1998 Sozialhilfe für sich und ihren Sohn. Obwohl sie bei der Antragstellung am 8. Oktober 1997 über ihre Pflicht zur Angabe jeglicher Veränderungen ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse informiert worden war, teilte sie dem Sozialamt den Erhalt eines Betrages von 14. 902, 66 DM aus der Erbschaft ihrer am 29. Oktober 1997 verstorbenen Großmutter nicht mit. Zur Feststellung des hieraus resultierenden Schadens ist im angefochtenen Urteil ausgeführt, daß das Sozialamt die infolge der unterlassenen Mitteilung überzahlten Beträge unter Berücksichtigung eines Schonvermögens von 3. 000, - DM ermittelt und diesbezüglich zwei rechtskräftige Bescheide über die Rücknahme gewährter Sozialhilfe- und Wohngeldbewilligungen in Höhe von 9. 718, 54 sowie 2. 975, - DM gegen die Angeklagte erlassen habe.
Diese Ausführungen sind lückenhaft. Bei der Feststellung betrügerisch erlangter Sozialhilfebezüge dürfen sich die tatrichterlichen Entscheidungsgründe nicht mit dem bloßen Verweis auf eine behördliche Schadensaufstellung begnügen, sondern müssen in nachvollziehbarer Weise zu erkennen geben, daß und inwieweit auf die angeblich "überzahlten" Beträge nach den sozialhilferechtlichen Grundsätzen insbesondere der §§ 76, 88 BSHG tatsächlich kein Anspruch bestand (vgl. Senatsbeschluß vom 12. August 1997 - 2 Ss 225/97-64/97 II -, ferner StV 91, 520). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Das Amtsgericht teilt nicht mit, welche Beträge an die Angeklagte ursprünglich zur Auszahlung kamen und wann mit dem Erhalt des Erbteils die Grundlagen der Bedarfsermittlung eine Änderung erfuhren. Da ferner auch nicht angegeben wird, auf welche Weise das Sozialamt die in den rechtskräftigen Rückforderungsbescheiden ausgewiesenen Beträge errechnet hat, vermag der Senat die amtsgerichtliche Schadensfeststellung nicht zu überprüfen.
2.
Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat auf folgendes hin:
Eine etwaige Verwendung des empfangenen Erbteils zur Begleichung einer Darlehensverpflichtung der Angeklagten gegenüber ihrer Mutter wäre zwar nicht geeignet, die Mitteilungspflicht der Angeklagten gemäß § 60 Abs. 1 SGB I entfallen zu lassen, und hätte auch keinen Einfluß auf die Berechnung des betrugsbedingten Schadens, denn bei der Ermittlung des sozialhilferechtlichen Bedarfs wirkt sich das gemäß § 88 Abs. 1 BSHG einzusetzende Vermögendes Sozialhilfeempfängers grundsätzlich ohne Rücksicht auf bestehende Verbindlichkeiten anspruchsmindernd aus (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg FEVS 32, 459, 462f. und 36, 199, 204; OVG Münster FEVS 47, 423, 424; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Auflage, § 88 Rn. 24; Oestreicher/Sehelter/Kunz, BSHG, Stand Juni 2000, § 88 Rn. 3). Gleichwohl besteht Anlaß, die Einlassung der Angeklagten zur Verwendung des empfangenen Erbteils unter dem Gesichtspunkt eines gemäß § 17 StGB zumindest für die Strafbemessung relevanten Verbotsirrtums auf ihren Wahrheitsgehalt zu untersuchen.
Ferner ist darauf hinzuweisen, daß sich das Tatgericht bei Unterlassungsdelikten mit § 13 Abs. 2 StGB auseinanderzusetzen hat und daß die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 StGB erfolgen darf, die in den Entscheidungsgründen des tatrichterlichen Urteils zu erörtern sind.
Fundstellen