Entscheidungsstichwort (Thema)
Fiktive Schadensabrechnung nach Kfz-Unfall: Verweisung des Geschädigten auf eine günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Soweit die Gleichwertigkeit, die Erreichbarkeit und die Zumutbarkeit gewährleistet sind, kann der Geschädigte bei der fiktiven Abrechnung auch auf andere Reparaturwege verwiesen werden. Die Erforderlichkeit iSd § 249 Abs. 2 S. 1 wird nicht ausschließlich im Sinne einer technischen Notwendigkeit für die Naturalrestitution verstanden. Die Dispositionsbefugnis des Geschädigten ist vielmehr mangels einer "Vertrauensinvestition" vom Wirtschaftlichkeitsgebot und vom Bereicherungsverbot überlagert, so dass er aus Schadensminderungsgesichtspunkten grundsätzlich die günstigste gleichwertige und zumutbare Reparaturmöglichkeit zu wählen hat. (Rn. 3)
2. Gegenstand der Naturalrestitution ist dessen fachgerechte Instandsetzung. Der Geschädigte kann nur die Herstellung des gleichen wirtschaftlichen Zustands verlangen. Dieser muss nicht notwendigerweise mit dem gleichen tatsächlichen Zustand übereinstimmen, schließt dies andererseits aber auch nicht aus. (Rn. 4)
Normenkette
BGB § 249 Abs. 2 S. 1
Tenor
In dem Rechtsstreit
...
1. Die Klägerin wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, ihre Berufung gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal - Einzelrichter - vom 16. Februar 2023 durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Die Klägerin erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 22. Juni 2023 Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Nach dem Ergebnis der Vorberatung hat die zulässige Berufung der Klägerin keine Aussicht auf Erfolg. Sie ist offensichtlich unbegründet. Das Landgericht hat dem Klageantrag zu 1. zu Recht nur in Höhe von 125,28 EUR nebst Zinsen stattgegeben. Die Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung zu Lasten der Klägerin, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts. Schließlich erscheint auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen weiteren als den durch das Landgericht bereits tenorierten Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, § 115 Abs. 1 VVG, §§ 823, 249 BGB. Die Klägerin kann lediglich die Kosten für eine Instandsetzung der linken Seitenwand ihres Fahrzeugs verlangen.
Ist wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Was insoweit erforderlich ist, richtet sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Eigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2019 - VI ZR 45/19 -, juris, Rn. 9). Voraussetzung ist, dass mehrere Möglichkeiten der Naturalrestitution bestehen, die gleichermaßen geeignet sind, das Integritätsinteresse des Geschädigten zu befriedigen (MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, § 249 Rn. 388). Soweit die Gleichwertigkeit, die Erreichbarkeit und die Zumutbarkeit gewährleistet sind, kann der Geschädigte bei der fiktiven Abrechnung auch auf andere Reparaturwege verwiesen werden. (Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 249 BGB, Stand: 03.05.2023, Rn . 162, 163). Die Erforderlichkeit iSd § 249 Abs. 2 S. 1 wird nicht ausschließlich im Sinne einer technischen Notwendigkeit für die Naturalrestitution verstanden (MüKoBGB/Oetker, a.a.O. Rn. 386). Die Dispositionsbefugnis des Geschädigten ist vielmehr mangels einer "Vertrauensinvestition" vom Wirtschaftlichkeitsgebot und vom Bereicherungsverbot überlagert, so dass er aus Schadensminderungsgesichtspunkten grundsätzlich die günstigste gleichwertige und zumutbare Reparaturmöglichkeit zu wählen hat (Freymann/Rüßmann, a.a.O. Rn. 162).
Danach kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, eine bloße Instandsetzung der beschädigten Seitenwand ihres Fahrzeugs stelle keine Naturalrestitution dar. Das Landgericht hat zu Recht ausgeführt, dass auch die Instandsetzung der linken Seitenwand einer Auswechselung gleichwertig ist und nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot ausreicht. Der gerichtlich bestellte Sachverständige M. hat ausgeführt, dass die hintere linke Seitenwand des klägerischen Fahrzeugs zur Erlangung eines sach- und fachgerechten Reparaturergebnisses instandsetzungs- und ausbeulfähig sei (Gutachten, S. 11) sowie dass dies den Herstellervorgaben und den anerkannten Regeln der Reparaturtechnik entspreche (Ergänzungsgutachten, S. 4). Anders als die Klägerin meint, handelt es sich weder um eine "Billigausbeulung", noch wird das beschädigte Teil "stümperhaft ausgebeult", Gegenstand der Naturalrestitution ist vielmehr dessen fachgerechte Instandsetzung. Nach den dargestellten Grundsätzen ka...