Leitsatz (amtlich)

Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Erblasser testierunfähig war (hier: demenzielles Syndrom), so wird das bei Gefährdung des Nachlassbestandes bestehende Fürsorgebedürfnis für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft im Dienste der endgültigen Erben nicht durch eine im Testament bestimmte Testamentsvollstreckung ausgeräumt, wenn der Erblasser dem Testamentsvollstrecker weitgehende Befugnisse zugestanden hat, die die Wirksamkeit der Anordnung der Testamentsvollstreckung voraussetzen (hier: Auszahlung des weit überdurchschnittlich werthaltigen Nachlasses an den Erben).

 

Normenkette

BGB § 1960

 

Verfahrensgang

AG Düsseldorf (Aktenzeichen 91 VI 365/12)

 

Tenor

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Geschäftswert: 200.000 EUR

 

Gründe

I. Der am 16.4.2012 verstorbene Erblasser, der nach der Wertangabe im Antrag auf Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses über ein Vermögen im Bereich von 2.000.000 EUR verfügte, errichtete zu Urk.-R.- Nr. xxx des Notars Dr. O. vom 25.1.2012 ein Testament, indem er die Beteiligte zu 3, die im sozialpsychiatrischen Dienst tätig war, ihn im Rahmen einer angemeldeten Nebentätigkeit zeitweise betreute und begleitete und zu der er ein Vertrauensverhältnis entwickelt hatte, zu seiner Alleinerbin einsetzte. Zugleich berief er den Beteiligten zu 1 zum Testamentsvollstrecker, u.a. mit der Aufgabe, den Nachlass an die Erbin herauszugeben.

In der Urkunde heißt es u. A.

"Der Notar überzeugte sich im Laufe der Verhandlung von der uneingeschränkten Testierfähigkeit des Erschienenen.

Herr N. war zunächst sehr müde. Er hat dann aber offene Frage, namentlich nach der Person des Erben, eigenständig beantwortet. Den Inhalt hat er nochmals bestätigt. Auch andere Fragen, z.B. zum beabsichtigten Kauf eines Hauses, beantwortete er (sowohl die Fragen z.T. bejahend und z.T. verneinend)."

Unter dem 31.5.2012 teilte das Nachlassgericht mit, dass es mit Blick auf ein im Betreuungsverfahren (96 XVII N 707 AG Düsseldorf) erstelltes Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. A. vom 31.1.2011, der zu dem Ergebnis gekommen sei, dass der Erblasser nicht mehr geschäfts- und testierfähig sei, von einer ungewissen Erbfolge bei unbekannten gesetzlichen Erben ausgehe.

Unter dem 1.6.2012 hat das AG die Nachlasspflegschaft nach dem Erblasser angeordnet und den Beteiligten zu 2 mit weiterem Beschluss vom selben Tage zum Nachlasspfleger bestellt.

"Gegen die Bestellung des Nachlasspflegers" richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1 vom 6.6.2012, mit der er geltend macht, er habe den Erblasser persönlich gekannt; zwar sei sein Gesundheitszustand schlecht gewesen; an der Testierfähigkeit habe er aber keinen Zweifel gehabt; der Erblasser habe mehrfach erklärt, die Beteiligte zu 3, die ihn partiell betreut habe und der er emotional sehr verbunden gewesen sei, als Alleinerbin einsetzen zu wollen; der Erblasser habe die Beteiligte zu 3 heiraten wollen; er habe ihm gegenüber mehrfach den Wunsch ausgesprochen, den Nachlass zu regeln.

Eine Nachlasspflegschaft komme hiernach nicht in Betracht, weil der Erbe mit hoher Wahrscheinlichkeit bekannt sei. Es bestehe mit Rücksicht auf die Testamentsvollstreckung kein Fürsorgebedürfnis. Die Nachlasspflegschaft verursache unnötigerweise Kosten von etwa 50.000 EUR. Wegen offensichtlicher Rechtswidrigkeit der Anordnung und drohenden wirtschaftlichen Schadens bedürfe es der einstweiligen Anordnung.

Das AG hat am 15.6.2012 der Beschwerde "gegen die Beschlüsse vom 1.6.2012" nicht abgeholfen und zur Begründung ausgeführt, am Tage der Testamentseröffnung habe die Rechtspflegerin der Betreuungsabteilung darauf hingewiesen, dass der Erblasser nach ihrer Kenntnis wahrscheinlich nicht mehr testierfähig gewesen sei. Bezüglich des Antrages auf Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses habe der zuständige Abteilungsrichter am 31.5.2012 vermerkt:

"Die Erbfolge ist aus den folgenden Gründen ungewiss:

Ausweislich des Auszuges aus der Betreuungsakte in dem Betreuungsverfahren AG Düsseldorf, Az. 96 XVIIN 707 wurde der Gesundheitszustand des Erblassers am 31.1.2011 durch Dr. A. im Auftrag des AG Düsseldorf begutachtet.

Der Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass der Erblasser an einer leichten bis mittleren Demenz leidet und er im Rahmen seiner fluktuierenden Orientierung, die scheinbar intaktes autonomes Verhalten als Fassade vortäuscht, umfassend nicht mehr geschäfts- oder testierfähig ist (Seite 57 des Gutachtens).

Mit einer wesentlichen Besserung des Krankheitsverlaufs sei angesichts des demenziellen Syndroms nicht mehr zu rechnen.

Ca. ein Jahr später fand ein Notartermin statt, in dem die vom Gericht eingesetzte Betreuerin zur Erbin eingesetzt worden ist. Angesichts des o.g. Gutachtens bestehen erhebliche Zweifel an der Testierfähigkeit, die auch nicht durch die Ausführungen des Notars Dr. O. in der Testamentsurkunde vom 25.1.2012 ohne weiteres ausgeräumt werden.

Die gesetzlichen Erben sind zudem unbekannt.

Der Erblasser war Eigentümer mehrerer Immobilien, es besteht ...

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