Leitsatz (amtlich)
1. Die Befugnis einer Geschäftsführerin, die GmbH außergerichtlich und gerichtlich zu vertreten, wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Geschäftsführerin nicht beeinträchtigt.
2. Dies gilt auch für deren Fähigkeit, Zustellungen mit Wirkung für und gegen die GmbH entgegenzunehmen.
3. Die durch Versäumnisurteil verurteilte Partei, die hilfsbedürftig i.S.d. §§ 114 ff. ZPO ist oder sich berechtigt dafür halten durfte, hat innerhalb der Einspruchsfrist einen vollständigen, also prüf- und entscheidungsfähigen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe beim Einspruchsgericht einzureichen; dazu gehört auch die vorgeschriebene Prozesskostenhilfe-Erklärung (Anschluss an BGH FamRZ 2008, 1166).
Normenkette
ZPO §§ 114, 170, 339; InsO §§ 21, 24, 80
Verfahrensgang
LG Duisburg (Beschluss vom 29.09.2010; Aktenzeichen 3 O 64/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Duisburg vom 29.9.2010 in der Fassung der Nichtabhilfeentscheidung vom 17.11.2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
A. Die beklagte Gesellschaft (GmbH), die seit dem 12.7.2010 ohne Zustimmung des für sie bestellten vorläufigen Insolvenzverwalters (61 IN 115/10 AG Duisburg) nicht mehr über ihr Vermögen verfügen kann, betreibt auf einem mit einer Halle bebauten, unter Zwangsverwaltung stehenden Grundstück (10 L 7/08 AG Dinslaken), das ihrer Geschäftsführerin gehört und von der sie es gemietet hat, ein Tennis- und Fitnesscenter. Der Kläger (Zwangsverwalter) nimmt die Beklagte auf Mietzahlung (112.354 EUR nebst Zinsen) sowie Räumung und Herausgabe des Grundstücks in Anspruch. Nachdem der von der Beklagten beauftragte Prozessbevollmächtigte auf die Klage erwidert hatte, legte er das Mandat durch Anzeige zu den Gerichtsakten am 20.7.2010 nieder. Über den daraufhin angesetzten Verhandlungstermin am 27.9.2010 wurde die Beklagte zu Händen ihrer Geschäftsführerin, über deren Vermögen am 13.10.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war (61 IN 175/06 AG Duisburg), durch Einlegen des Schriftstücks in den Briefkasten oder eine ähnliche Einrichtung unterrichtet.
Mit dem am 24.9.2010 eingegangenen, von der Geschäftsführerin unterzeichneten Schreiben bat die Beklagte um Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines "Notanwalts", die ihr das LG - Einzelrichter - durch den angefochtenen, im Verhandlungstermin verkündeten Beschluss versagt hat. Das anschließend verkündete Versäumnisurteil, mit dem die im Termin nicht erschienene und nicht vertretene Beklagte antragsgemäß verurteilt worden ist, wurde ihr zu Händen des Insolvenzverwalters ihrer Geschäftsführerin am 26.10.2010 durch Einlegen in den Briefkasten oder eine ähnliche Einrichtung übermittelt. Mit dem beim LG am 15.11.2010 eingegangenen, von ihrer Geschäftsführerin unterzeichneten Schreiben bittet die Beklagte u.a. erneut um Prozesskostenhilfe, um, wie sie beabsichtigt, gegen das Versäumnisurteil Einspruch einlegen zu können. Der "formale Prozesskostenhilfeantrag ... [werde] schnellstens nachgereicht". Das ist jedoch bis zum Ablauf des 29.11.2010 nicht geschehen. Das LG - Einzelrichter - hat diese Eingabe als sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 27.9.2010 behandelt. Es hat dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und ihn dem Senat unter Übersendung der Akten zur Entscheidung vorgelegt.
B. Die gem. §§ 127 Abs. 2 S. 2, 1. Altn., 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO an sich statthafte und auch im Übrigen zulässige (sofortige) Beschwerde, über die der Senat nach Übertragung durch den Einzelrichter in seiner vollen Besetzung zu entscheiden hat (§ 568 Abs. 1 S. 2 ZPO, § 122 Abs. 1 GVG), ist in der Sache unbegründet. Das LG hat der Beklagten im Ergebnis zu Recht die beantragte Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverteidigung im Einspruchsverfahren verweigert, § 114 ZPO. Prozesskostenhilfe könnte der Beklagten nur dann bewilligt werden, wenn sie gegen das am 27.9.2010 verkündete Versäumnisurteil noch mit Aussicht auf Erfolg das Einspruchsverfahren durchführen könnte. Das ist indes nicht der Fall.
I. Soweit das LG allerdings insolvenzrechtlich begründete Bedenken gegen die ordnungsgemäße Vertretung der Beklagten im Verfahren geäußert hat, können diese nicht geteilt werden.
1. Ohne Einfluss auf das seit dem 24.3.2010 rechtshängige hiesige Verfahren bleibt der Umstand, dass es der Beklagten seit dem 12.7.2010 untersagt ist, über ihr Vermögen ohne Zustimmung des vorläufigen ("schwachen") Insolvenzverwalters zu verfügen. Eine solche Beschränkung ändert nichts an der grundsätzlich bei dem Schuldner verbleibenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis. Reine Prozesshandlungen stellen im Übrigen keine Verfügungen i.S.d. §§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 24 Abs. 1, 81 InsO dar (vgl. MünchKomm/Haarmeyer, InsO, 2. Aufl., § 24 Rz. 16 m.w.N.), so dass diese ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters ohne jede Einschränkung wirksam sind. Das gegen die Beklagte gerichtete Verfahren ist auch nicht...