Leitsatz (amtlich)
Enthält ein Beschluss nach § 91a ZPO wegen eines Begründungs- und Rechtsmittelverzichts der Parteien keine Begründung, so kommt eine Gebührenermäßigung nach Nr. 1211 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) auch nicht im Wege einer analogen Anwendung der Gebührentatbestände der Ziffern 2 oder 4 in Betracht. Eine planwidrige Regelungslücke liegt insoweit nicht vor. Dass der Gesetzgeber bei der Abfassung der einzelnen Gebührenermäßigungstatbestände unbeabsichtigt von seinem Regelungsplan abgewichen ist, ist nicht erkennbar.
Tenor
Auf die Beschwerde der Landeskasse wird der Beschluss des Landgerichts ...vom 30.08.2023 aufgehoben. Auf die auch als Beschwerde auszulegende Erinnerung der Landeskasse wird die Gebührenregelung in dem Beschluss des Landgerichts ... vom 25.05.2023 aufgehoben und die Kostenrechnung vom 11.07.2023 dahingehend abgeändert, dass statt einer 1,0 Gebühr nach Nr. 1211 i.V.m. 1210 KV GKG in Höhe von 449, - EUR eine 3,0 Gebühr nach Nr. 1210 KV GKG in Höhe von 1347, - EUR in Rechnung zu stellen ist.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Parteien schlossen am 24.05.2023 vor dem Landgericht ... einen Vergleich. Sie einigten sich dahingehend, dass das Gericht über die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs nach § 91a ZPO entscheiden soll. Hierbei verzichteten die Parteien auf eine Begründung der Entscheidung und Rechtsmittel dagegen. Mit Beschluss vom 25.05.2023 hob das Gericht die Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs gegeneinander auf. Es ermäßigte in dem Beschluss zugleich die Gerichtskosten nach KV 1211 Nr. 4 GKG auf 1,0. Die daraufhin erstellte Kostenrechnung vom 11.07.2023 setzte eine Gerichtsgebühr gemäß KV 1211 i.V.m. 1210 an. Gegen diese Kostenrechnung wendet sich der Bezirksrevisor als Vertreter der Landeskasse mit seiner Erinnerung vom 21.07.2023 mit der Begründung, dass eine Kostenreduzierung nicht vorzunehmen sei. Die Voraussetzungen des KV 1211 Nr. 4 lägen nicht vor und eine analoge Anwendung der Nr. 2 oder 4 des KV 1211 scheide aus. Durch Beschluss vom 30.08.2023 wies das Landgericht die Erinnerung zurück, der Kostenansatz sei nicht rechtswidrig. Unabhängig von den Umständen, dass der Kostenbeamte durch die gerichtliche Entscheidung bereits gebunden und die Entscheidung rechtskräftig geworden sei, ergäbe sich aus der analogen Anwendung der Nr. 1211 Ziffer 2 in Zusammenschau mit Ziffer 3 eine Kostenreduzierung. Die für die Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke in Bezug auf den hiesigen Fall ergäbe sich daraus, dass der Gesetzgeber bei der Einführung von KV 1211 Nr. 4 diesen Fall nicht erkannt habe. Aus der Gesetzesbegründung sei nicht ersichtlich, dass sich der Gesetzgeber mit der vorliegenden Fallkonstellation auseinandergesetzt habe. Ebenso wie in den Fällen des § 313a Abs. 2 ZPO spreche für eine Gebührenermäßigung, dass dem Gericht zusätzliche Arbeit in Form einer umfassend schriftlich begründeten Entscheidung erspart werde. Schließlich werde mit einer Kostenreduzierung das gesetzgeberische Ziel verfolgt, eine gütliche Einigung zu fördern. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Landeskasse mit ihrer Beschwerde vom 13.09.2023, der das Landgericht mit Beschluss vom 26.09.2023 nicht abgeholfen und die es dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.
II. Die gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG statthafte Beschwerde der Landeskasse hat aus den nachfolgenden Gründen Erfolg.
Die Landeskasse wendet sich mit ihrer Beschwerde vom 13.09.2023 gegen den Beschluss des Landgerichts ... vom 30.08.2023, mit welchem dieses die Erinnerung vom 21.07.2023 gegen den Kostenansatz vom 11.07.2023 zurückgewiesen hat.
a) Die Zurückweisung der Erinnerung war im Ergebnis nicht rechtmäßig.
Die Erinnerung war - im Sinne der Beschwerdeführerin - so auszulegen, dass sie sich - neben dem Kostenansatz - in der Form der einfachen Beschwerde nach § 66 Abs. 2 GKG auch gegen den Ausgangsbeschluss des Landgerichts ... vom 25.05.2023 richtete, in dem bereits über die Gebührenermäßigung richterlich entschieden worden war. Denn ausweislich der Begründung der Erinnerung verfolgt die Beschwerdeführerin das Rechtsschutzziel der Beseitigung der Kostenermäßigung (vgl.: zum Rechtsschutzziel einer Erinnerung: BFH, Beschluss vom 31.08.1995 - I E 1/95 -, recherchiert nach Juris; zur Auslegung nach dem Rechtsschutzziel: BGH, Urteil vom 21. Oktober 2005 - V ZR 63/05 -, recherchiert nach Juris). Gegen die richterliche Gebührenentscheidung findet gemäß § 66 Abs. 2 GKG die - einfache - Beschwerde statt (vgl.: OLG München, Beschluss vom 30.9.2021 - 11 W 1243/21, BeckRS 2021, 28885; OLG Stuttgart Beschluss vom 02.07.2008 - 8 W 259/08, BeckRS 2008, 13424; Dörndorfer in: BeckOK, Kostenrecht, 2023, § 21GKG Rn. 9, 10; Fölsch in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2021 Rn. 21; Gertler in BeckOK, OWiG, § 21 GKG Rn. 21; Zimmermann in: Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 5. Auflage 2021, Rn. 13-15).
Hingeg...