Leitsatz (amtlich)

Ein selbstständiges Beweisverfahren (hier Einholung eines Sachverständigengutachtens) ist erst dann beendet, wenn die nach § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO gesetzte Frist fruchtlos verstrichen ist.

Erfolgt innerhalb der Frist eine Stellungnahme ohne gleichzeitigen Antrag auf Anhörung des Sachverständigen, so kann der Antrag auch noch nach Fristablauf nachgeholt werden, wenn in der Fristsetzungsverfügung nicht auch auf die Notwendigkeit der Antragstellung innerhalb der Frist hingewiesen worden ist.

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Aktenzeichen 1 OH 33/01)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner vom 30.12.2002 wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des LG Wuppertal – 1 OH 33/01 – vom 12.12.2002 aufgehoben und die Sache zur Fortsetzung des selbstständigen Beweisverfahrens an das LG Wuppertal zurückverwiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Beschwerdewert: bis 7.000 Euro.

 

Gründe

I. Mit Schriftsatz vom 12.11.2001 hat die Antragstellerin die Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens wegen Mängeln am Abwasserrohrsystem an dem Hausgrundstück A.-Straße 10a in W. beantragt. Durch Beschluss vom 27.12.2001 hat das LG die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet. Das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Maurer datiert vom 22.3.202. Mit Schriftsatz vom 3.5.2002 haben die Antragsgegner Einwendungen gegen das Gutachten vorgebracht. Auf Bl. 8 des Schriftsatzes heißt es u.a.:

„Der Gutachter sollte ferner dazu Stellung nehmen,…”.

Durch Verfügung vom 18.6.2002 hat der Vorsitzende den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegner wie folgt angeschrieben: „Was soll in dem OH-Verfahren weiter geschehen? Das Gericht versteht den dortigen Schriftsatz vom 3.5.2002 nicht als Antrag auf Ergänzung des Gutachtens, sondern als reine Stellungnahme. Wenn keine gegenteilige Äußerung Ihrerseits erfolgt, wird die Kammer in zwei Wochen den Wert festsetzen und die Sache zum Geschäftsgang geben.” Daraufhin haben die Antragsgegner mit Schriftsatz vom 9.7.2002 die Ergänzung des Gutachtens beantragt. Auf einen entspr. Beschluss der Kammer vom 18.7.2002 hat der Sachverständige M. das Ergänzungsgutachten unter dem 14.9.2002 erstellt. Das Gutachten ist den Parteien mit folgendem Zusatz übersandt worden: „Frist zur ev. Stellungnahme: 3 Wochen”. Mit Schriftsatz vom 10.10.2002 bat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner, die gesetzte Frist bis zum 28.10. zu verlängern. Antragsgemäß hat der Vorsitzende des Landgerichtes mit Verfügung vom 11.10.2002 die Frist zur Stellungnahme zum Gutachten bis zum 28.10.2002 verlängert. Mit Schriftsatz vom 25.10.2002, eingegangen beim LG am 28.10.2002, hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner eine 22-seitige Stellungnahme zum Ergänzungsgutachten abgegeben. Einleitend heißt es in dem Schriftsatz:

„Ergaben sich schon aus dem ersten Gutachten vom 22.3.2002 Hinweise und Anhaltspunkte dafür, dass der Gutachter die ihm gestellten Beweisfragen in fachlich unfundierter Form und in den Ausführungen derart unqualifiziert und unsystematisch beantwortete, dass diese Zweifel an seiner fachlichen Kompetenz im Hinblick auf die Beurteilung eines Abwasserrohrsystems begründeten, zeigt nun die Beantwortung der erweiterten Beweisfragen, dass die Aussagen und Stellungnahme des Gutachters in fachlicher Hinsicht schlichtweg falsch sind und das Gutachten bedauerlicherweise jegliches Fachwissen vermissen lässt, wie die nachführenden Ausführungen darlegen werden.”

Mit Beschluss vom gleichen Tage hat die Kammer die Parteien darauf hingewiesen, dass sie das selbstständige Beweisverfahren als beendet ansehe, da der Schriftsatz der Antragsgegner vom 25.10.2002 keine Anträge und Ergänzungsfragen i.S.v. § 411 Abs. 4 S. 1 ZPO enthalte. Mit Schriftsatz vom 12.11.2002 haben die Antragsgegner darauf hingewiesen, dass die Kammer aufgrund ihres Schriftsatzes vom 25.10.2002 von Amts wegen verpflichtet gewesen sei, den Sachverständigen mündlich zu vernehmen. Vorsorglich haben die Antragsgegner ergänzend die mündliche Vernehmung des Sachverständigen St.M. beantragt. Durch den angefochtenen Beschluss vom 12.12.2002 hat die Kammer erneut ausgesprochen, dass das Beweisverfahren beendet ist, nachdem innerhalb der bis zum 28.10.2002 verlängerten Frist keine Anträge und Ergänzungsfragen i.S.v. § 411 Abs. 4 ZPO gestellt worden seien. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegner.

II. Die gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Das LG hat den Antrag der Antragsgegner auf Anhörung des Sachverständigen vom 12.11.2002 zu Unrecht zurückgewiesen. Das Verfahren war bei Antragstellung noch nicht beendet.

Das Beweisverfahren ist erst mit seiner sachlichen Erledigung beendet. Mit der Übersendung des Gutachtens an die Parteien ist das selbstständige Beweisverfahren erledigt, sofern weder das Gericht in Ausübung des ihm nach § 411 Abs. 4 S. 2 ZPO eingeräumten Ermessens eine Frist gesetzt hat, noch die Parteien dem Ge...

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