Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Beschluss vom 28.06.1977; Aktenzeichen 25 AktE 1/76)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Das Landgericht hat erkannt, daß der Aufsichtsrat der … Werke AG gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 AktG nach dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer vom 4. Mai 1976 (Mitbestimmungsgesetz 1976) zusammenzusetzen ist.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hiergegen ist gemäß § 99 Abs. 3 AktG zulässig, aber nicht begründet.

Dieses Verfahren soll zur Klärung fuhren, ob das Mitbestimmungsgesetz 1976 mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Eine Verfassungsbeschwerde, die unmittelbar gegen das Mitbestimmungsgesetz 1976 gerichtet war und auf eine abstrakte Normenkontrolle hinausgelaufen wäre, hat das Bundesverfassungsgericht nicht angenommen (BVerfG NJW 1977, 529). Es hat auf das Verfahren nach § 98 AktG hingewiesen. Die Antragstellerin erstrebt in diesem Verfahren eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG. Halten aber die Gerichte in diesem Verfahren das einschlägige Gesetz für verfassungskonform, so eröffnet sich wiederum die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde, wenn die Instanzen ausgeschöpft sind.

Das Mitbestimmungsgesetz 1976 ist mit dem Grundgesetz zu vereinbaren, Es enteignet nicht und behindert nicht das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden.

Die Streitfrage, ob das Grundgesetz eine paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer zuläßt, kann hier offenbleiben.

Das Mitbestimmungsgesetz 1976, nach dem der Aufsichtsrat der Girmes-Werke zu besetzen ist, fuhrt nicht zu einer solchen paritätischen Mitbestimmung. Im Aufsichtsrat, wo die Mitbestimmung nach dem Gesetz vor allem verwirklich ist, haben die Anteilseigner das Übergewicht behalten. Zwar sind sie und die Arbeitnehmer mit Aufsichtsratmitgliedern in gleicher Anzahl vertreten. Aber bei Stimmengleichheit gibt letztlich die zweite Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag, und den Vorsitzenden wählen die Vertreter der Anteilseigner allein, wenn er nicht mit einer Mehrheit von zwei Dritteln gewählt wurde. Damit ist die unternehmerische Entscheidung, soweit sie überhaupt im Aufsichtsrat fallt, weder blockiert noch auf die Arbeitnehmerseite verlagert. Im einzelnen wird hierzu auf die Ausführungen des Landgerichts (Seiten 14 bis 28) Bezug genommen (vgl. auch Kaiser NJW 1976, 1337; LG Stuttgart NJW 1977, 535; LG Mannheim NJW 1977, 1971). Daß im Aufsichtsrat Stimmen der Arbeitnehmerseite den Ausschlag geben können, wenn die Vertreter der Anteilseigner untereinander nicht einig sind, ist kein Merkmal der paritätischen Mitbestimmung, sondern eine Folge der – gegenüber dem Betriebsverfassungsgesetz – erweiterten Mitbestimmung überhaupt. Fallen im Aufsichtsrat Entscheidungen, denen nur ein Teil der Anteilseignervertreter zugestimmt hat, so ist damit noch nicht die gesellschaftsrechtlich vermittelte Verfügungsbefugnis eines Anteilseigners verletzt. Auch die Bedenken der Beschwerde, daß die Verfahrensweise des Mitbestimmungsgesetzes für die Wahl des Aufsichtsratsvorsitzenden und Bestellung des Vorstandes zu einem Einigungszwang führten, und daß Zufälligkeiten die Anteilseignervertreter daran hindern konnten, sich durchzusetzen, greifen nicht durch. Letztlich kann jede Mitwirkung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat unter bestimmten Voraussetzungen Entscheidungen beeinflussen, sonst wäre sie keine Mitbestimmung; damit ist sie aber noch keine Parität. Zwischen der erweiterten Mitbestimmung überhaupt und der paritätischen Mitbestimmung laßt sich aber keine verfassungsrechtliche Grenze ziehen. Der Streit um die Mitbestimmung entspringt sicher auch der Sorge um die künftige Entwicklung, wie besonders der Ausblick von Kaiser (NJW 1976, 1341) zeigt. Daß aber faktische Machtverhältnisse und radikale Tendenzen in Verbindung gerade mit dem Mitbestimmungsgesetz 1976 die verfassungsmäßige Ordnung gefährden und Grundrechte beeinträchtigen könnten, ist nicht zu erkennen. Eher wird über die Gegensätze in der Lohnpolitik hinaus das gemeinsame Interesse der Sozialpartner in der modernen Industriegesellschaft und sozialen Marktwirtschaft sichtbar. Es ist zu erwarten, daß sich dieses gemeinsame Interesse auch im Funktionieren des Mitbestimmungsgesetzes 1976 auswirkt.

Eine Kostenentscheidung ist in diesem Verfahren nicht erforderlich. Als Kostenschuldner der Gerichtskosten ist nach § 99 Abs. 6 Satz 8 AktG die Gesellschaft gesetzlich bestimmt. Kosten gemäß § 99 Abs. 6 Satz 9 AktG der Antragstellerin aufzuerlegen, entspräche nicht der Billigkeit. Kosten der Beteiligten werden gemäß § 99 Abs. 6 Satz 10 AktG nicht erstattet.

Geschäftswert: 100.000,– DM.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1287858

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